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Abend [2]

Von

Zähnen
Plantschet streif das Blut des Himmels
Denken schicksalt
Tode zattern und verklatschen
Sterne dünsten
Scheine schwimmen
Wolken greifen fetz das Haar
Und
Weinen
Mein
Zergehn
Dir
In
den
Schooß

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Gedicht: Abend [2] von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abend [2]“ von August Stramm ist ein eindringliches Beispiel für den Expressionismus, eine literarische Strömung, die sich durch die radikale Zerstörung traditioneller Formen und die Darstellung subjektiver, oft beunruhigender Emotionen auszeichnet. Stramm setzt hier auf eine fragmentierte Sprache, die durch unvollständige Sätze, ungewöhnliche Wortkombinationen und eine stark verdichtete Bildsprache gekennzeichnet ist. Dadurch wird die konventionelle Lesart erschwert und der Leser dazu gezwungen, sich aktiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen.

Der erste Teil des Gedichts evoziert eine Szenerie des Untergangs und der Auflösung. Bilder von „Blut des Himmels“, „Tode“ und „zattern“ suggerieren Gewalt und das Zerbrechen von Strukturen. Das „Plantschet streif“ lässt an ein unaufhaltsames Verschwimmen und Vermischen denken, was durch die anschließende Beschreibung von „Sterne[n] dünsten“ und „Scheine[n] schwimmen“ verstärkt wird. Diese Elemente erzeugen ein Gefühl der Desorientierung und des Zerfalls, was die Auflösung von festen Größen und die Erfahrung von emotionalem Chaos widerspiegelt. Das lyrische Ich ist hier Zeuge eines gespenstischen Schauspiels.

Der zweite Teil des Gedichts nimmt einen intensiveren, beinahe flehenden Ton an. Das Bild der „Wolken [die] greifen fetz das Haar“ deutet auf eine gewalttätige Auseinandersetzung oder einen Verlust der Kontrolle hin. Das letzte Wort „Und“ leitet eine Reihe von kurzen, isolierten Wörtern ein: „Weinen / Mein / Zergehn / Dir / In / den / Schooß“. Diese fragmentierte Zeile bildet das Zentrum des Gedichts. Das lyrische Ich scheint sich aufzulösen, das eigene Leid zu weinen und sich dem „Dir“ – einer möglicherweise geliebten Person oder einer höheren Macht – in den Schoß zu werfen. Dies lässt auf eine Sehnsucht nach Trost und Geborgenheit inmitten des Chaos schließen.

Die Bedeutung des Gedichts liegt in seiner Fähigkeit, eine Atmosphäre der existenziellen Angst und der Auflösung zu erzeugen. Stramms Verwendung von Wortbildern und seiner radikalen Sprachgestaltung spiegelt das Gefühl des Verlustes und der Zerrissenheit wider, das viele Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts empfanden. Es ist ein Gedicht, das weit über eine bloße Beschreibung einer Abendstimmung hinausgeht und stattdessen tief in die menschliche Psyche eintaucht, um dort universelle Erfahrungen wie Angst, Verlust und die Suche nach Geborgenheit zu thematisieren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.