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Gedichte an eine Frau

Von

I. Seufzer

Gebt mir zu trinken! –
Amphoren und Krüge fand ich leer:
Herrlich gemaltes Gefäß.
Schöpft denn kein Mädchen am Brunnen mehr?
Kein Samariterweib, zärtlich und scheu,
neigte den Krug mir zu.
Mich dürstet sehr! –

II. Fremdling

Sie haben dich angehalten.
Dein Kleid ohne Falten
fiel ihnen auf.

Sie fragten dich: Woher? Wohin?
Du sprachst: Seht! Hört! ich bin,
die ich euch scheine.

Meine Gedanken sind rein
wie meine Hände.
Ich trüge mich schlecht zur Schau
in hehlenden Faltenwürfen;
ich bin eine selige Frau.

Die Rede hat allen
sehr mißfallen.

Sie sahen sich an und dachten dabei
mancherlei,
ihre schlechten Gedanken.

Sie glauben dir nicht;
zu einfach und schlicht
ist dein Gebaren.

III. Die Hand

Der Sonnenstrahl
hängt sich an deine Hand.
Ich seh es:
deine Haut
ist braun gebrannt.

Und lächelnd läßt du ihn
von Herzen gern gewähren;
und reif und voll
wie Juliähren
liegt deine Hand
im Schoß.

Drum steigt aus deinem Schoß
ein Weiherauch,
ein feiner Hauch
von Sandelholz.
Wie ein Juwelenschrein
schließt dein brokatenes Gewand
die braunen Finger ein.

IV. Frage

Bist du auch so lange, lange
traumhaft deinen Weg gegangen?
Wagtest nicht, den süßen bangen
Sehnsuchtsbann zu brechen.

Wagtest nicht, die dunkeln Augen
mit dem goldnen Licht zu füllen?
Falsche Scham hieß dich verhüllen
alle schöne Blöße.

Mußte dich die Not erst wecken
und an Lebensbrüste legen?
0, nun quillt der reiche Segen
deiner vollen Seele.

V. Sonnenblume

Und eine Sonnenblume
sprach mir heut von Dir.
Ich brach sie mir
und sprach mir ihr
und trug sie dankbar heim.
Nun füllt ihr heller Schein
mein kleines Zimmer.

An meiner Sonnenblume
sieht still mein Herz sich satt.
Du strahlst aus jedem Blatt.
Den goldbraundunklen Früchteschoß
kränzt mildes Feuer.
Kein Spiegel zeigt
dein Bild getreuer.

VI. Gebet

Gott füllte mich mit Dir
bis an den weiten Rand,
weil er mein armes Herz
ganz leer und dunkel fand.

Er füllte deinen Glanz
tief in mein Herz hinein.
Laß mich, o laß mich, Gott,
ein reiner Becher sein!

VII. Wolken

Die seligen Jungfraun
wandeln zum Reigen.
Sie steigen
gleich Wolken
hinab auf den Schnee
und baden die Füße
im Alpensee.

Die seligen Jungfraun
umschweben, umwallen
die leuchtenden Firne.
Die Seligste aber,
die Schönste von Allen,
trägt ob der Stirne
ein Abendrotkrönlein
aus Eiskrystallen.

Die seligen Jungfraun
umwallen, umschweben
die Schönste von Allen,
und wollen nichts
als ihr Wohlgefallen.
Sie lassen im Rhythmus beruhigter Wogen
die Schleier fallen, Silbernebel,
und wandeln heim
durch den Regenbogen.

VIII. Karyatiden

Prüft nicht, Atlanten, verächtlichen Blickes
unsre zarten Schultern und Hände.
Das kleine Werk, wir bringend am Ende
den Göttern zum Opfer, wie Ihr das große.

Tragt ihr stolz auf Simsonslocken
steinern Gewölbe wie eine Krone,
seht, empor zum Götterthrone
heben Wir den krönenden First.

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Gedicht: Gedichte an eine Frau von Elisabeth Fuhrmann-Paulsen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedichtensemble „Gedichte an eine Frau“ von Elisabeth Fuhrmann-Paulsen erkundet verschiedene Facetten weiblicher Erfahrung, Sehnsucht und Selbstbehauptung. Die Gedichte zeichnen ein vielschichtiges Bild einer Frau, die zwischen gesellschaftlicher Erwartung, spiritueller Erfüllung und persönlicher Identität navigiert.

In „Seufzer“ wird ein tiefes Verlangen nach Erfüllung und Lebensquell dargestellt. Die Bilder des leeren Kruges und des fehlenden Wassers stehen symbolisch für unerfüllte Sehnsucht oder eine Welt, die keine Nahrung mehr für die Seele bereithält. Ähnlich verweist „Fremdling“ auf die Schwierigkeit, in einer normativen Gesellschaft als unabhängige Frau anerkannt zu werden. Die Offenheit und Klarheit der Sprecherin wird von ihrer Umgebung misstrauisch beäugt, was auf einen Konflikt zwischen Individualität und gesellschaftlicher Konvention hinweist.

Andere Gedichte wie „Die Hand“ oder „Sonnenblume“ greifen Naturbilder auf, um Weiblichkeit und Reife zu feiern. Die warme, erdverbundene Sinnlichkeit der beschriebenen Frau wird mit Symbolen wie der braunen, sonnenerfüllten Hand oder der leuchtenden Sonnenblume verknüpft. Diese Bilder vermitteln ein Gefühl von Harmonie, Wärme und Selbstakzeptanz.

Spirituelle Motive durchziehen das Werk ebenfalls, besonders in „Gebet“ und „Wolken“. Das Bild des Herzens als leerer Becher, den Gott mit Liebe füllt, zeigt eine religiöse Transzendenz der Gefühle. In „Wolken“ hingegen wird die weibliche Reinheit und Schönheit in eine himmlische Sphäre erhoben, wo Jungfrauen wie Nebelgestalten über den Firnen schweben. Schließlich greift „Karyatiden“ das Motiv der weiblichen Stärke auf: Frauen tragen – wenn auch mit zarten Schultern – eine wesentliche Last und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Bestehen der Welt.

Insgesamt zeigen die Gedichte eine Mischung aus Sehnsucht, Sinnlichkeit, spiritueller Tiefe und weiblicher Selbstbehauptung. Sie rufen dazu auf, die Schönheit und Stärke der Frau nicht zu unterschätzen, sondern als zentralen Bestandteil des menschlichen Daseins zu würdigen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.