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Meine Stoffe

Von

Ihr sagt: „Was drückst du wiederum
Den Turban auf die schwarzen Haare?
Was hängst du wieder ernst und stumm
Im weidnen Korb am Dromedare?

Du hast so manchmal schon dein Zelt
In Ammons Flächen aufgeschlagen,
Daß es uns länger nicht gefällt,
Dir seine Pfähle nachzutragen.

Du wandelst, wie ein Mann, der träumt!
Sieh, wehnder Sand füllt deinen Köcher;
Der Taumelmohn des Ostens schäumt
In deines Liedes goldnem Becher!

O, geuß ihn aus! – Dann aber späh‘
Und lechz‘ umher mit regen Sinnen,
Ob keine Bronnen in der Näh‘,
Daraus du schöpfen mögest, rinnen!

Sei wach den Stimmen deiner Zeit!
Horch‘ auf in deines Volkes Grenzen;
Die eigne Lust, das eigne Leid
Woll‘ uns in deinem Kelch kredenzen!

Laß tönend deiner Zähren Naß
An die metallne Wölbung klopfen,
Und über ihr verbluten laß
Dein Herz sich bis zum letzten Tropfen!

Wovon dein Kelch auch schäumt, mit Gier
Wolln seine Gaben wir empfangen!
Mit durst’gen Lippen wollen wir
An seinen blut’gen Ränden hangen!

Nur heute noch den Orient
Vertausche mit des Abends Landen;
Die Sonne sticht, die Wüste brennt!
O, lasse nicht dein Lied versanden!“

O, könnt‘ ich folgen eurem Rat!
Doch düster durch versengte Halme
Wall‘ ich der Wüste dürren Pfad: –
Wächst in der Wüste nicht die Palme?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Meine Stoffe von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Meine Stoffe“ von Ferdinand Freiligrath reflektiert die Spannung zwischen exotischer Dichtung und gesellschaftlichem Engagement. Das lyrische Ich wird von einer Stimme – möglicherweise der Leserschaft oder Kritikern – aufgefordert, sich von orientalischen Motiven abzuwenden und stattdessen die Realität des eigenen Volkes und der eigenen Zeit zu thematisieren. Die Sehnsucht nach fernen Welten, symbolisiert durch den Wüstensand, den Taumelmohn und das Dromedar, wird als überholt dargestellt, während die Forderung nach einer unmittelbaren, leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen laut wird.

Die Stimme drängt den Dichter dazu, seine Gefühle – Freude und Leid – in unmittelbarer, gesellschaftsrelevanter Form auszudrücken. Die Bilder vom „Kelch“ und „blutigen Rändern“ betonen die Dringlichkeit und Intensität der geforderten Dichtung. Es geht nicht mehr um schwärmerische Exotik, sondern um ein tief empfundenes Bekenntnis zur eigenen Nation und ihrer Herausforderungen. Die Dichtung soll nicht in der Wüste „versanden“, sondern aktiv in die Welt eingreifen.

Doch das lyrische Ich bleibt seiner inneren Stimme treu. Es sieht in der Wüste nicht nur Trockenheit und Verlorenheit, sondern auch die Palme – ein Symbol für Standhaftigkeit und Fruchtbarkeit trotz widriger Bedingungen. Damit verteidigt es seine poetische Freiheit und zeigt, dass auch in der Fremde wertvolle Inspiration zu finden ist. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Auseinandersetzung mit literarischen Erwartungen, sondern auch eine Reflexion über die Rolle des Dichters zwischen Kunst und gesellschaftlichem Auftrag.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.