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Im Batisterio zu Florenz

Von

Die ihr nach des Meisters Worten
Himmelspforten werth zu sein,
Kunstgeformte, ehrne Pforten,
Laßt den deutschen Wandrer ein!

Düstre, dunkle Taufkapelle,
Deiner heil’gen Nacht entfleußt
Manch ein Strahl der Himmelshelle,
Senkend sich in meinen Geist.

Vor mir steht ein greiser Priester,
Segen betend für ein Kind,
Und des heil’gen Bornes gießt er
Auf des Täuflings Stirne lind.

Meine Hände möcht’ ich legen
Auf das Kind, ich fremder Mann,
Während längst mein voller Segen
Lind und leis sein Haupt umrann;

Segen, der wie Frühthaus Fallen
Dieses Menschenpflänzchen tränkt
Süß und überreich mit Allem,
Was ein Leben Schönes denkt!

Schließt euch wieder, Himmelspforten,
Denn sein Erdenlauf beginnt!
Wandernd fort zu fernen Orten,
Seh’ ich nie dich wieder, Kind!

Knab’ und Mann wirst du in Jahren,
Ungestalt vielleicht und wild;
Doch ich werd’ es nie erfahren,
Ach, ich seh’ dich schön und mild!

Hunger wird dein Aug’ verwildern,
Armut bringt vielleicht dir Qual!
Ach, in meines Segens Bildern
Sitzest du am Freudenmahl!

Deiner Mutter Pulse stocken,
Dich verräth des Freundes Wort!
Ach, nicht hör’ ich jene Glocken,
Und nicht hör’ ich jenes Wort!

Und es höhnte dich, dir fluchte,
Die du einzig liebst, o Graus!
Ach, in meinem Sinn doch suchte
Ich die treu’ste Braut dir aus!

Bot’st dein Herz, gequält vom Leben,
Jung dem eignen Schwerte dar!
Ach ich hab’ dir doch gegeben
Gar so schönes weißes Haar!

So vielleicht dem Fluch erlegen,
Der dein Erdenloos gebannt,
Ahnst du’s nie, wie einst der Segen
Fromm an deiner Wiege stand;

Wie der Mann aus fremder Ferne,
Betend über dich gebeugt,
Mit des Segens Born dich gerne,
Junges Pflänzchen, großgesäugt.

Bist der schöne Baum mit nichten,
Den er freudig ragen hieß!
Darbst an Blüthen, kargst mit Früchten,
Die er reich dich tragen ließ!

Doch, verarmt an Blüthenschimmer,
Und in Stamm und Mark verdorrt,
Blühst im Herzen mir noch immer
Du dein blühend Leben fort.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Im Batisterio zu Florenz von Anastasius Grün

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Im Batisterio zu Florenz“ von Anastasius Grün ist eine melancholische Betrachtung über das Leben, die im Rahmen einer Taufe in einem Baptisterium stattfindet. Der Dichter, ein deutscher Wanderer, beobachtet die Zeremonie und projiziert seine Wünsche, Ängste und Hoffnungen auf das getaufte Kind, das er nie wiedersehen wird. Das Gedicht ist geprägt von einer Mischung aus Segenswünschen, vager Voraussicht zukünftigen Leids und einem tiefen Bedauern über die Vergänglichkeit des Lebens.

Der erste Teil des Gedichts ist von einer Atmosphäre der Ehrfurcht und Andacht geprägt. Der Dichter bittet um Einlass in das Baptisterium und beschreibt die heilige Atmosphäre. Er stellt sich vor, wie er seine Hände auf das Kind legen und es segnen möchte. Der Segen des Dichters wird zu einer Vision eines perfekten Lebens, in dem das Kind von Glück und Schönheit umgeben ist. Diese idealisierte Vorstellung kontrastiert stark mit den düsteren Prophezeiungen, die im weiteren Verlauf des Gedichts aufkommen.

Die zweite Hälfte des Gedichts wird von düsteren Zukunftsvisionen dominiert. Der Dichter sieht das Kind als jungen Mann, der von den Härten des Lebens gequält wird: Hunger, Armut, Verrat, Verzweiflung. Er malt Bilder von Leid und Misserfolg, die die ursprüngliche Vision des Glücks überschatten. Diese Prophezeiungen deuten auf eine pessimistische Sichtweise des Dichters auf das menschliche Dasein hin, in dem das Glück nur flüchtig ist und das Leid unvermeidlich.

Die Schlussstrophen offenbaren die tiefe Sehnsucht des Dichters nach einer idealen Welt, in der das Kind seinen Segen erfahren und ein erfülltes Leben führen könnte. Obwohl er weiß, dass er das Kind nie wiedersehen wird und es dem Fluch des Lebens ausgeliefert ist, hält der Dichter an seiner Hoffnung fest. Das Kind blüht in seinem Herzen weiter, selbst wenn es im realen Leben scheitert. Das Gedicht endet mit einer bittersüßen Note: Trotz aller negativen Vorhersagen bleibt der Segen des Dichters erhalten, und das Kind wird in seiner Erinnerung für immer jung und rein bleiben. Dies unterstreicht die Macht der Liebe und des Segens als Bollwerk gegen die Unwägbarkeiten des Lebens.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.