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Arbeit

Von

Wer den wucht’gen Hammer schwingt,
wer im Felde mäht die Ähren,
wer ins Mark der Erde dringt,
Weib und Kinder zu ernähren,
wer stroman den Nachen zieht,
wer bei Woll und Werg und Flachse
hinterm Webestuhl sich müht,
daß sein blonder Junge wachse: –

Jedem Ehre, jedem Preis!
Ehre jeder Hand voll Schwielen!
Ehre jedem Tropfen Schweiss,
der in Hütten fällt und Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
hinterm Pfluge – doch auch dessen,
der mit Schädel und mit Hirn
hungernd pflügt, sei nicht vergessen!

Ob in enger Bücherei
Dunst und Moder ihn umstäube:
Ob er Sklav‘ der Messe sei,
Lieder oder Dramen schreibe;
Ob er um verruchten Lohn
Fremden Ungeschmack vertiere;
Ob er in gelehrter Fron
Griechisch und Latein doziere: –

Er auch ist ein Proletar!
Ihm auch heißt es: „Darbe! borge!“
Ihm auch bleicht das dunkle Haar,
Ihn auch hetzt ins Grab die Sorge!
Mit dem Zwange, mit der Not
Wie die andern muß er ringen,
Und der Kinder Schrei nach Brot
Lähmt auch ihm die freien Schwingen!

Manchen hab ich so gekannt!
Nach den Wolken flog sein Streben: –
Tief im Staube von der Hand
In den Mund doch mußt‘ er leben!
Eingepfercht und eingedornt,
Ächzt‘ er zwischen Tür und Angel;
Der Bedarf hat ihn gespornt,
Und gepeitscht hat ihn der Mangel.

Also schrieb er Blatt auf Blatt,
Bleich und mit verhärmten Wangen,
Während draußen Blum‘ und Blatt
Sich im Morgenwinde schwangen.
Nachtigall und Drossel schlug,
Lerche sang und Habicht kreiste: –
Er hing über seinem Buch,
Tagelöhner mit dem Geiste!

Dennoch, ob sein Herz auch schrie,
Blieb er tapfer, blieb ergeben:
„Dieses auch ist Poesie,
Denn es ist das Menschenleben!“
Und wenn gar der Mut ihm sank,
Hielt er fest sich an dem einen:
“ Meine Ehre wahrt‘ ich blank!
Was ich tu, ist für die Meinen!“

Endlich ließ ihn doch die Kraft!
Aus sein Ringen, aus sein Schaffen!
Nur zuweilen, fieberhaft,
Konnt‘ er noch empor sich raffen!
Nachts oft von der Muse Kuß
Fühlt‘ er seine Schläfen pochen;
Frei dann flog der Genius,
Den des Tages Drang gebrochen!

Lang jetzt ruht er unterm Rain,
D’rauf im Gras die Winde wühlen;
Ohne Kreuz und ohne Stein
Schläft er aus auf seinen Pfühlen.
Rotgeweinten Angesichts
Irrt sein Weib und irrt sein Samen –
Bettlerkinder erben nichts,
Als des Vaters reinen Namen!

Ruhm und Ehre jedem Fleiß!
Ehre jeder Hand voll Schwielen!
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
Der in Hütten fällt und Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
Hinterm Pfluge! – Doch auch dessen,
Der mit Schädel und mit Hirn
Hungernd pflügt, sei nicht vergessen!

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Gedicht: Arbeit von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Arbeit“ von Ferdinand Freiligrath ist eine eindringliche Würdigung der körperlichen und geistigen Arbeit. Es hebt die Leistung der einfachen Arbeiter hervor, die mit ihren Händen den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien verdienen, vergisst dabei aber nicht diejenigen, die mit ihrem Geist arbeiten und dennoch unter ähnlich prekären Bedingungen leben. Die zentrale Botschaft des Gedichts ist die Anerkennung aller Formen der Arbeit – sei es die körperliche Anstrengung auf dem Feld und in der Werkstatt oder die geistige Arbeit des Schriftstellers, Gelehrten oder Lehrers.

Freiligrath beginnt mit einer lobenden Aufzählung harter, körperlicher Arbeit: der Schmied, der Landarbeiter, der Bergmann und der Weber werden als würdige Vertreter des Fleißes dargestellt. Ihnen wird Ehre für ihre Schwielen und ihren Schweiß zugesprochen, da sie durch ihre Mühe das Fundament der Gesellschaft bilden. Doch das Gedicht erweitert den Blick: Auch der Intellektuelle, der Gelehrte, der Schriftsteller, die oft als weniger „handfest“ betrachtet werden, kämpfen mit Not, Sorge und der ständigen Unsicherheit ihres Daseins. Freiligrath bezeichnet sie als „Proletarier des Geistes“ und fordert für sie die gleiche Anerkennung.

Besonders tragisch schildert er das Schicksal eines solchen Intellektuellen, der sich trotz Armut und Entbehrung seiner Familie verpflichtet fühlt. Er kämpft sich durchs Leben, schreibt, lehrt und verzichtet auf persönliche Freiheit, um seine Angehörigen zu versorgen. Doch am Ende reicht seine Kraft nicht aus, und er stirbt erschöpft und mittellos. Seine Hinterbliebenen bleiben in Armut zurück – ihr einziges Erbe ist sein „reiner Name“.

Das Gedicht endet mit einer erneuten Wiederholung der Würdigung der Arbeit, sowohl der körperlichen als auch der geistigen. Diese Struktur unterstreicht Freiligraths Botschaft: Arbeit verdient in jeder Form Respekt, und niemand, der sich aufopfert, sollte vergessen werden. Die sozialkritische Dimension des Gedichts macht es zu einer klaren Anklage gegen die Ungerechtigkeit, mit der insbesondere geistige Arbeiter oft kämpfen, und zugleich zu einem kraftvollen Plädoyer für die Gleichstellung aller, die durch ihre Arbeit zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.