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Lebenswege

Von

Fünfzig Jahre werden es ehstens sein,
Da trat ich in meinen ersten „Verein“.
Natürlich Dichter. Blutjunge Ware:
Studenten, Leutnants, Refrendare.
Rang gab’s nicht, den verlieh das „Gedicht“,
Und ich war ein kleines Kirchenlicht.

So stand es, als Anno 40 wir schrieben;
Aber ach, wo bist du Sonne geblieben?
Ich bin noch immer, was damals ich war,
Ein Lichtlein auf demselben Altar,
Aus den Leutnants aber und Studenten
Wurden Genräle und Chefpräsidenten.

Und mitunter, auf stillem Tiergartenpfade,
Bei „Kön’gin Luise“ trifft man sich grade.

„Nun, lieber F., noch immer bei Wege?“
„Gott sei Dank, Exzellenz … Trotz Nackenschläge …“

„Kenn‘ ich, kenn‘ ich. Das Leben ist flau …
Grüßen Sie Ihre liebe Frau.“

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Gedicht: Lebenswege von Theodor Fontane

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lebenswege“ von Theodor Fontane reflektiert mit einem Hauch von Ironie die unterschiedlichen Entwicklungen, die das Leben für verschiedene Menschen bereithält. Fontane schildert seine frühen Jahre als Mitglied eines Dichterkreises, in dem alle – Studenten, Leutnants und Referendare – gleichrangig waren und allein das „Gedicht“ als Maßstab galt. Doch während die anderen Karriere machten und in hohe Ämter aufstiegen, blieb das lyrische Ich ein „kleines Kirchenlicht“, also ein bescheidener Dichter ohne gesellschaftlichen Aufstieg.

In der zweiten Strophe verstärkt Fontane diesen Kontrast: Die einstigen Weggefährten sind mittlerweile Generäle und Chefpräsidenten, während er selbst seiner ursprünglichen Berufung treu geblieben ist. Der Tonfall ist dabei nicht bitter, sondern eher augenzwinkernd resigniert. Das Leben hat unterschiedliche Wege für ihn und seine ehemaligen Mitstreiter vorgesehen, und er nimmt dies mit einer gewissen Gelassenheit hin.

Besonders treffend ist die Begegnung im Tiergarten, wo der einstige Dichterfreund nun als „Exzellenz“ angesprochen wird. Der Austausch bleibt oberflächlich, fast mechanisch – eine höfliche Floskel ohne echtes Interesse. Doch das lyrische Ich begegnet diesem mit einer humorvollen Selbstironie und nimmt seinen Platz im Leben ohne Groll an. Fontane zeigt so auf charmante Weise die Diskrepanz zwischen idealistischen Anfängen und späteren Lebensrealitäten, ohne dabei in Wehmut zu verfallen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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