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Wie er wolle geküsset seyn

Von

Nirgends hin, als auff den Mund
da sinckts in deß Hertzens Grund.
Nicht zu frey, nicht zu gezwungen
nicht mit gar zu fauler Zungen.

Nicht zu wenig, nicht zu viel!
Beydes wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut, und nicht zu leise
Beyder Maß‘ ist rechte Weise.

Nicht zu nahe, nicht zu weit.
Dies macht Kummer, jenes Leid.
Nicht zu trucken, nicht zu feuchte
wie Adonis Venus reichte.

Nicht zu harte, nicht zu weich.
Bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.

Halb gebissen, halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine denn bei Leuten.

Küsse nun ein Jedermann
wie er weiß, will, soll und kan.
Ich nur und die Liebste wissen
wie wir uns recht sollen küssen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wie er wolle geküsset seyn von Paul Fleming

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wie er wolle geküsset seyn“ von Paul Fleming ist eine kunstvolle und spielerische Reflexion über den perfekten Kuss. Es beschreibt mit großer Detailgenauigkeit, wie ein Kuss sein soll – und vor allem, wie er nicht sein darf. Dabei bewegt sich das lyrische Ich zwischen Maß und Leidenschaft, zwischen Sinnlichkeit und Zurückhaltung, um das ideale Gleichgewicht zu finden.

Die Struktur des Gedichts folgt einem klaren Muster aus Gegensätzen: Jeder Vers grenzt unerwünschte Extreme voneinander ab, sei es zu viel oder zu wenig, zu laut oder zu leise, zu hart oder zu weich. Diese Antithetik unterstreicht die Suche nach einer harmonischen Mitte, die den perfekten Ausdruck von Liebe und Hingabe ermöglichen soll. Besonders die letzte Strophe macht deutlich, dass diese Kunst des Küssens nicht allgemeingültig ist, sondern etwas Einzigartiges zwischen zwei Liebenden bleibt.

Neben der feinsinnigen Betrachtung der Liebe zeigt das Gedicht auch eine spielerische Leichtigkeit, die typisch für barocke Liebeslyrik ist. Es verbindet sinnliche Erfahrung mit geistreicher Reflexion und bringt so die Liebe als eine Kunstform zum Ausdruck. Durch seinen humorvollen und doch feinfühligen Ton bleibt das Gedicht zeitlos und verleiht dem alltäglichen Akt des Küssens eine fast philosophische Tiefe.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.