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Ein herbstlich Lied für zweie

Von

Auch diesem Stieglitz da im Blätterfall
Tickt wunderbar in seinem Federball
Ein schüchtern-schluchzend Herz, ein kleines,
Ein Herz wie meins und deines.

Der Vogel singt, weil ihn sein Herz bezwingt
Und große Sonnenluft ihn frisch umschwingt –
Er muß von seinem Herzen zehren.

Und jedes Flüsterbäumchen, uns vertraut,
Trägt unter seiner weichen Rindenhaut
Ein horchend Neugierherz, ein wachsend kleines,
Ein Herz wie meins und deines.

Der Baum verzweigt, und weiter zweigt er still,
Weil frei sein Herz ins Blaue schauen will –
Er muß von seinem Herzen zehren.

Wer spürt, wie bald das nächtge Schweigen naht –
Du hast mich lieb und gehst denselben Pfad;
Wir leben zueinander warm und still,
Wie unser ruhlos, wunschgroß Herz es will.

Einmal ist Schauerstille um uns her,
Das Herz klopft aus, ist tot und leer –
Wir müssen all von unserm Herzen zehren.

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Gedicht: Ein herbstlich Lied für zweie von Gerrit Engelke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein herbstlich Lied für zweie“ von Gerrit Engelke verbindet die Vergänglichkeit der Natur mit der Empfindsamkeit des menschlichen Herzens. In einer sanften, fast zärtlichen Tonlage wird der Stieglitz, ein kleiner Vogel, als Sinnbild für das schlagende, schüchterne Herz verwendet – ein Herz, das dem lyrischen Ich und dem angesprochenen Du gleicht. Der Vogel singt, weil er nicht anders kann, weil sein Inneres ihn dazu drängt, so wie das menschliche Herz von seinen Gefühlen lebt.

In der zweiten Strophe weitet Engelke das Bild auf die Natur aus: Auch die Bäume tragen ein „horchend Neugierherz“, das weiterwächst und sich ins Blaue erstreckt. Die Natur wird hier als lebendig und empfindsam dargestellt, jedes Wesen folgt seinem inneren Drang, seiner Sehnsucht nach Licht und Ausdruck. Die zentrale Erkenntnis ist dabei, dass sowohl Vogel als auch Baum – und damit auch der Mensch – von ihrem Herzen zehren müssen, von dem, was in ihnen brennt.

Die letzte Strophe bringt das Gedicht zur existenziellen Kernaussage: Der Herbst steht für die Vergänglichkeit, das nahende „nächtge Schweigen“ für den Tod. Doch solange die Liebe zwischen den beiden besteht, gehen sie gemeinsam durchs Leben, getragen von der Wärme ihrer Herzen. Am Ende aber bleibt die Stille, das Herz hört auf zu schlagen – die Endlichkeit des Daseins wird unausweichlich. Engelke schafft hier eine sanfte, melancholische Reflexion über das Leben, das sich aus dem Innersten speist, aber irgendwann erlischt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.