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Der Roßschweif an der Krippe

Von

Ein Landfahrer und Leutebetrüger ist einmal auf Landshut, so eine Stadt in Bayern, ankommen und hat daselbst austrommlen und ausrufen lassen, daß bei ihme eine Wundersach zu sehen seie, nämlich, er habe ein Pferd, welches den Kopf hat, wo andere Roß den Schweif, wer solches schauen will, der muß einen Groschen geben. Die Leute, so mehrerteils dem Vorwitz ergeben, sind in großer Menge zugeloffen. Nachdem nun alle bezahlet, da hat er den Stall eröffnet. Ein jeder wollte fast der erste darin sein, es wurden aber alle diesfalls ziemlich betrogen, maßen er das Pferd im Stall umgekehret und mit dem Schweif am Roßbahrn oder Krippen gebunden. »Da schauet«, sagt er, »andere Pferde haben den Kopf an diesem Ort, mein Roß aber den Schweif«, welches dann nicht ohne Gelächter abgeloffen.

Die Leute und gewinnsichtige Menschen erdenken allerlei Ränke und Betrug, wie sie nur mögen Geld bekommen, sie erwägen dessenthalben nicht weder Gottes Gebot noch der Menschen. Das Geld sollte eigentlich genennet werden Vestra Dominatio, Eure Herrlichkeit, maßen es über die mehreste Menschen herrschet.

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Gedicht: Der Roßschweif an der Krippe von Abraham a Sancta Clara

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Roßschweif an der Krippe“ von Abraham a Sancta Clara ist eine kurze Anekdote mit einer doppelten Ebene. Es erzählt von einem Landfahrer, einem Betrüger, der in Landshut einen vermeintlichen „Wunderpferde“ zur Schau stellt, das den Kopf da hat, wo andere Pferde den Schweif haben. Die Neugier der Leute wird durch die Aussicht auf das „Wundersache“ geweckt, und sie zahlen bereitwillig den Groschen, um dieses Spektakel zu sehen.

Die eigentliche Pointe der Geschichte ist die simple Täuschung: Der Betrüger hat das Pferd im Stall einfach umgedreht und den Schweif an der Krippe befestigt, so dass die Leute, die das erwartete „Wunder“ suchten, getäuscht wurden. Die Beschreibung des Gelächters der Zuschauer deutet an, dass die List des Betrügers erfolgreich war und die Neugier der Zuschauer befriedigt wurde, wenn auch auf unehrliche Weise. Der Humor des Gedichts liegt in der Überlistung der erwartungsvollen Menge und der Einfachheit der Täuschung.

Die zweite Ebene des Gedichts ist die moralische. Abraham a Sancta Clara, bekannt für seine Predigten und moralisierenden Schriften, verknüpft diese Anekdote mit einer allgemeinen Kritik an Habsucht und Betrug. Die Geschichte wird verwendet, um vor der Gier und der Bereitschaft der Menschen, sich betrügen zu lassen, zu warnen. Der Autor betont, dass die Menschen in ihrem Streben nach Gewinn oft Gottes Gebote und menschliche Moral außer Acht lassen. Die abschließende Bemerkung, dass Geld die „Vestra Dominatio“ (Eure Herrlichkeit) sei, unterstreicht die verwerfliche Macht des Geldes und seine Fähigkeit, die Menschen zu beherrschen.

Die Stärke des Gedichts liegt in seiner Einfachheit und Direktheit. Durch die kurze, anschauliche Geschichte des Betrügers und seines Pferdes macht Abraham a Sancta Clara eine allgemeine Feststellung über die menschliche Natur und die Versuchungen des Geldes. Die Ironie der Situation, in der die Menschen für eine triviale Täuschung bezahlen, dient als Metapher für die Leichtgläubigkeit der Menschen und ihre Tendenz, sich von falschen Versprechungen verführen zu lassen. Das Gedicht ist ein klares Beispiel für die moralisierende Absicht des Autors und seine Fähigkeit, durch kurze Geschichten und prägnante Formulierungen zu belehren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.