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Die Fabrik

Von

Düster, breit, kahl und eckig
Liegt im armen Vorort die Fabrik.
Zuckend schwillt, schrill und brutal
Aus den Toren Maschinen-Musik.

Schlot und Rohr und Schlot und Schlot,
Heißdurchkochtes Turmgestein,
Speien dickes Qualmgewölk
Über traurigstarre Häuser, Straßenkot.

Tausend Mann, Schicht um Schicht,
Saugt die laute Arbeits-Hölle auf.
Zwingt sie all in harte Pflicht
Stunde um Stunde.

Bis der Pfiff heiser gellt:
Aus offnem Tore strömen dann
Mädchen, Frauen, Mann und Mann –
Blasses Volk – müde – verquält –

Schläft der Ort -: glüh und grell
Schreit aus hundert Fenstern Licht!
Kraftgesumm, Rädersausen, Qualm durchbricht
Roh und dumpf die Nacht –

Tag und Nacht: Lärm und Dampf,
Immer Arbeit, immer Kampf:
Unerbittlich schröpft das Moloch-Haus
Stahl und Mensch um Menschen aus.

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Gedicht: Die Fabrik von Gerrit Engelke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Fabrik“ von Gerrit Engelke zeichnet ein düsteres und kritisches Bild der modernen Industriewelt. Engelke beschreibt die Fabrik als übermächtigen, fast monströsen Ort – „düster, breit, kahl und eckig“ –, der in einem „armen Vorort“ liegt und die Umgebung mit seiner Präsenz beherrscht. Die Metapher der „Maschinen-Musik“, die „zuckend“, „schrill“ und „brutal“ aus den Toren dringt, verdeutlicht die zerstörerische, entmenschlichte Energie der Industrie.

Die immer wiederkehrenden Bilder von „Schlot und Rohr“ und dem „dicken Qualmgewölk“ verstärken die bedrückende Atmosphäre. Die Natur und das Leben der Menschen werden von Rauch und Lärm erstickt. Die „traurigstarre Häuser“ und der „Straßenkot“ zeigen die Verelendung des Stadtraums im Schatten der Industrie. Die Fabrik wird zur „Arbeits-Hölle“, die „Schicht um Schicht“ die Arbeiter verschlingt, ihnen die Kraft raubt und sie in die „harte Pflicht“ zwingt.

Besonders eindringlich ist der Moment nach dem Schichtende, wenn die „blassen“, „müden“ und „verquälten“ Menschen aus den Toren strömen. Auch die Nacht bringt keine Ruhe: Während der Ort schläft, brennt in der Fabrik „grell“ das Licht und das „Rädersausen“ hallt durch die Dunkelheit. So wird der Tag-Nacht-Rhythmus aufgehoben – die Arbeit scheint endlos, der Kampf gegen die Maschinen und die Ausbeutung hört nie auf.

Mit dem Begriff „Moloch-Haus“ verdichtet Engelke die Fabrik zur gnadenlosen, alles verschlingenden Macht. Mensch und Material werden gleichermaßen „ausgeschöpft“. Das Gedicht übt scharfe Kritik an der entwürdigenden Arbeitswelt der Industriegesellschaft, die den Menschen in einen endlosen Kreislauf aus „Lärm“, „Dampf“ und „Kampf“ zwingt und ihn seiner Würde beraubt. Engelkes Sprache ist dabei hart und direkt und unterstreicht die erbarmungslose Mechanik dieser modernen Welt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.