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Der Liebende

Von

Der Liebende steht träge auf,
Zieht ein Herr-Jemine-Gesicht
Und wünscht, er wäre tot.
Der Morgen tut sich prächtig auf.

So silbern geht der Ströme Lauf,
Die Vöglein schwingen hell sich auf:
„Bad, Menschlein, dich im Morgenrot,
Dein Sorgen ist ein Wicht!“

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Gedicht: Der Liebende von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Liebende“ von Joseph von Eichendorff zeigt auf ironische und zugleich feinsinnige Weise den Kontrast zwischen menschlicher Melancholie und der lebensbejahenden Kraft der Natur. Im Zentrum steht ein Liebender, der in seiner Trägheit und inneren Schwere kaum fähig ist, den neuen Tag zu begrüßen – obwohl die Welt um ihn herum in voller Pracht erwacht.

Der erste Versabschnitt stellt den Liebenden in fast komischer Übertreibung dar: Er „zieht ein Herr-Jemine-Gesicht“ und wünscht sich den Tod. Die Formulierung deutet auf eine überzogene, theatralische Gefühlslage hin, wie sie aus der Romantik bekannt ist – allerdings nicht in idealisierter, sondern in leicht parodierter Form. Die Welt dagegen zeigt sich „prächtig“ – ein Morgen voller Licht, Bewegung und Klang kündigt sich an.

Im zweiten Abschnitt wird die Natur aktiv: Die Ströme glänzen silbern, die Vögel steigen singend auf. Besonders auffällig ist der Wechsel der Sprechinstanz – die Vögel selbst scheinen zu sprechen, oder zumindest wird ihre Bewegung sinnbildlich gedeutet. In fast spöttischem Ton heißt es: „Bad, Menschlein, dich im Morgenrot, / Dein Sorgen ist ein Wicht!“ Diese Zeilen wirken wie ein Appell zur Leichtigkeit, zur Überwindung der inneren Schwermut.

Eichendorff spielt hier mit romantischen Topoi – dem Weltschmerz, der Einsamkeit des Liebenden, der übermächtigen Natur – doch er bricht sie zugleich mit einem feinen Lächeln. Die Natur erscheint nicht nur als Spiegel der Gefühle, sondern als Gegenkraft, als mild tadelnde Stimme des Lebens. Das Gedicht lädt dazu ein, sich dieser Schönheit zu öffnen – selbst wenn das Herz schwer ist. So schwingt in der Ironie auch eine zarte Hoffnung mit: dass das Leben, trotz Liebeskummer, weitergeht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.