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Die Bank

Von

Im Parke weiß ich eine Bank,
Die schattenreichste nicht von allen,
Nur Erlen lassen, dünn und schlank,
Darüber karge Streifen wallen;
Da sitz‘ ich manchen Sommertag
Und laß mich rösten von der Sonnen,
Rings keiner Quelle Plätschern wach,
Doch mir im Herzen springt der Bronnen.

Dies ist der Fleck, wo man den Weg
Nach allen Seiten kann bestreichen,
Das staub’ge Gleis, den grünen Steg,
Und dort die Lichtung in den Eichen:
Ach manche, manche liebe Spur
Ist unterm Rade aufgeflogen!
Was mich erfreut, bekümmert, nur
Von drüben kam es hergezogen.

Du frommer Greis im schlichten Kleid,
Getreuer Freund seit zwanzig Jahren,
Dem keine Wege schlimm und weit,
Galt es den heil’gen Dienst zu wahren,
Wie oft sah ich den schweren Schlag
Dich drehn mit ungeschickten Händen,
Und langsam steigend nach und nach
Dein Käppchen an des Dammes Wänden.

Und du in meines Herzens Grund,
Mein lieber schlanker blonder Junge,
Mit deiner Büchs‘ und braunem Hund,
Du klares Aug‘ und muntre Zunge,
Wie oft hört‘ ich dein Pfeifen nah,
Wenn zu der Dogge du gesprochen;
Mein lieber Bruder warst du ja,
Wie sollte mir das Herz nicht pochen?

Und manches was die Zeit verweht,
Und manches was sie ließ erkalten,
Wie Banquos Königsreihe geht
Und trabt es aus des Waldes Spalten.
Auch was mir noch geblieben und
Was neu erblüht im Lebensgarten,
Der werten Freunde heitrer Bund,
Von drüben muß ich ihn erwarten.

So sitz‘ ich Stunden wie gebannt,
Im Gestern halb und halb im Heute,
Mein gutes Fernrohr in der Hand
Und laß es streifen durch die Weite.
Am Damme steht ein wilder Strauch.
O, schmählich hat mich der betrogen!
Rührt ihn der Wind, so mein‘ ich auch
Was Liebes komme hergezogen!

Mit jedem Schritt weiß er zu gehn,
Sich anzuformen alle Züge;
So mag er denn am Hange stehn,
Ein wert Phantom, geliebte Lüge;
Ich aber hoffe für und für,
Sofern ich mich des Lebens freue,
Zu rösten an der Sonne hier,
Geduld’ger Märtyrer der Treue.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Bank von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Bank“ von Annette von Droste-Hülshoff beschreibt einen Ort der Erinnerung und der Sehnsucht. Die Bank im Park ist nicht nur ein physischer Platz, sondern ein symbolischer Schauplatz vergangener Begegnungen und Gefühle. Das lyrische Ich verbringt dort Sommertage, um sich in der Sonne zu wärmen – nicht nur äußerlich, sondern auch durch die inneren Bilder, die dieser Ort heraufbeschwört. Während die Umgebung ruhig bleibt, sprudeln im Herzen Erinnerungen empor.

Der zweite Teil des Gedichts verknüpft die Bank mit Menschen, die dem lyrischen Ich einst nahestanden. Ein greiser Freund, ein geliebter Bruder, verschiedene Bekanntschaften – alle scheinen von „drüben“ zu kommen, aus der Vergangenheit oder aus einer anderen Welt. Besonders eindrucksvoll ist das Bild der fortschreitenden Zeit, das mit Banquos Königsreihe aus Shakespeares *Macbeth* verglichen wird. Die Erinnerungen erscheinen als Geister aus dem Wald, ein Sinnbild für das Vergehen von Freundschaften, Erlebnissen und vielleicht sogar Lebensphasen.

In den letzten Strophen verdichtet sich die Melancholie: Das lyrische Ich verweilt zwischen Gestern und Heute, nutzt ein „Fernrohr“ als Symbol für die gedankliche Rückschau, und wird immer wieder von der Hoffnung auf eine erneute Begegnung getäuscht. Der Wind bewegt einen Strauch, der wie eine vertraute Gestalt wirkt – eine Illusion, die die Sehnsucht nach der Vergangenheit unterstreicht. Doch trotz dieser bittersüßen Täuschung hält das lyrische Ich an der Treue fest und sieht sich selbst als geduldigen „Märtyrer der Treue“.

„Die Bank“ ist ein stilles, tief empfundenes Gedicht über das Verhältnis von Erinnerung, Sehnsucht und der Unaufhaltsamkeit der Zeit. Droste-Hülshoff zeichnet ein einfühlsames Bild von der Verbindung zwischen Orten und persönlichen Geschichten, wobei die Bank zur Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.