Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Was ich liebe

Von

Ich liebe die hektischen, schlanken
Narzissen mit blutrothem Mund;
Ich liebe die Qualengedanken,
Die Herzen zerstochen und wund;

Ich liebe die Fahlen und Bleichen,
Die Frauen mit müdem Gesicht,
Aus welchen in flammenden Zeichen,
Verzehrende Sinnenglut spricht;

Ich liebe die schillernden Schlangen,
So schmiegsam und biegsam und kühl:
Ich liebe die klagenden, bangen,
Die Lieder von Todesgefühl;

Ich liebe die herzlosen, grünen
Smaragde vor jedem Gestein;
Ich liebe die gelblichen Dünen
Im bläulichen Mondenschein;

Ich liebe die glutendurchtränkten,
Die Düfte, berauschend und schwer;
Die Wolken, die blitzedurchsengten,
Das graue wuthschäumende Meer;

Ich liebe, was niemand erlesen,
Was keinem zu lieben gelang:
Mein eigenes, urinnerstes Wesen
Und alles, was seltsam und krank.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Was ich liebe von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Was ich liebe“ von Felix Dörmann ist ein Bekenntnis zu einer dunklen, dekadenten und von Dissonanzen geprägten Ästhetik. Das lyrische Ich zählt in einer Art Litanei Dinge auf, die jenseits der üblichen Schönheits- oder Moralvorstellungen stehen und sich durch Krankheit, Schwermut und einen Hang zum Morbiden auszeichnen. Diese Liebeserklärung an das Abgründige und Verstörende spiegelt deutlich die symbolistische und dekadente Strömung der Jahrhundertwende wider.

Das lyrische Ich bekennt seine Vorliebe für fragile, erschöpfte und unheilvolle Erscheinungen: „hektische Narzissen“, „bleiche Frauen“ und „klagende Lieder“ bilden nur einige Beispiele für diese Faszination. Immer wieder tauchen Begriffe wie „blutrot“, „verzehrend“ oder „Todesgefühl“ auf, die die Tendenz zum Düsteren und Schmerzhaften betonen. Die Schönheit liegt hier im Zerfallenen und Verstörenden, fernab von einer idealisierten, harmonischen Welt.

Auch die Natur wird in bedrohlichen und unheimlichen Bildern geschildert: „schillernde Schlangen“, „gelbliche Dünen im Mondenschein“, „wuthschäumendes Meer“ und „blitzedurchsengte Wolken“ verleihen dem Gedicht eine unruhige, unheimliche Grundstimmung. Diese Naturbilder wirken künstlich und zugleich bedrohlich, und sie stehen im Einklang mit dem übersteigerten Empfinden des lyrischen Ichs.

In der letzten Strophe wird schließlich der Kern des Gedichts offenbart: Die Liebe zu allem „Seltsamen und Kranken“ ist Ausdruck einer Selbstbespiegelung, denn das lyrische Ich liebt „sein eigenes, urinnerstes Wesen“. Es findet Schönheit im Ungewöhnlichen, im Schmerzhaften und Abweichenden. Damit wird das Gedicht zu einem Manifest innerer Zerrissenheit und einer radikal individuellen Ästhetik, die das Pathologische und Außenseiterhafte bewusst in den Mittelpunkt rückt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.