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Verloren

Von

1.

Die schimmernde Pracht Deiner Glieder,
Ich hab‘ sie voll Andacht geschaut,
Doch vor der umnachteten Seele
Hat mir gegraut.

Ich hätte dich gerne, so gerne
Emporgerissen zum Licht;
Du aber – wild und trotzig –
Du wolltest nicht.

Und doch war Deine Liebe
Gewaltig, heiß und echt – –
Ich aber ließ Dich fallen, –
Und das war schlecht.

2.

Du bist krank gewesen,
Kleine Geliebte!?
Krankhaft blaß ist Dein Antlitz,
Matt Dein Auge,
Mühsam schleppt sich Dein Schritt.
Komm, o komm zu mir,
Laß Dich stärken, laß Dich laben – –
Fieberhaft heiß ist Deine
Kleine Hand und Deine Nerven
Zucken und schaudern,
Du bist immer noch krank,
Kleine Geliebte.
Sag, wo ist Dein Lachen geblieben,
Jenes helle,
Auf- und niedersteigende Lachen,
Wo Dein jauchzender Aufschrei,
Der mich an Grußesstatt
Immer empfing?!
„Müde bist Du, sterbensmüde,
Kleine Geliebte?!“
Komm an mein Herz!
Laß mich diesen zarten Busen,
Der mir einstmals
Voll und wogend entgegenschlug,
Einmal noch röten mit lodernden Küssen.
Besser fast noch als ich
Weißt Du es selbst,
Kleine Geliebte,
Krank bist Du, todeskrank,
Nichts kann Dich retten!
Aber eine Nacht, eine Nacht
Laß uns glücklich noch sein!
Mög auch von Deinem Mund
Tödlich das Gift
Überfließen zu mir,
Was liegt daran! –
Sterbend noch wollen wir
Höchster Wonnen tödliche Freuden
Ausgenießen.

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Gedicht: Verloren von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Verloren“ von Felix Dörmann ist eine düstere, von Leidenschaft und Verzweiflung durchdrungene Darstellung einer tragischen Liebesbeziehung. Im Zentrum steht die Erfahrung von Schuld, Ohnmacht und der Wunsch nach einer letzten, ekstatischen Vereinigung im Angesicht des Todes. Dörmann verwebt in diesem Gedicht Motive von Verführung, Scheitern und Todessehnsucht zu einer dichten, symbolistischen Komposition.

Im ersten Teil steht die ambivalente Haltung des lyrischen Ichs gegenüber der Geliebten im Vordergrund: Während es die „schimmernde Pracht“ ihres Körpers bewundert, „graut“ es ihm vor ihrer „umnachteten Seele“. Das lyrische Ich beschreibt sich als jemanden, der sie „emporreißen“ wollte, doch sie blieb „wild und trotzig“ und verschloss sich dem angestrebten Wandel. Trotz der Anerkennung ihrer „gewaltigen, heißen und echten“ Liebe ließ das lyrische Ich sie „fallen“ – ein Akt, den es rückblickend als moralisches Versagen deutet.

Im zweiten Teil wird die Geliebte als gebrochene, „kranke“ Figur beschrieben, körperlich geschwächt und „todeskrank“. Die Sorge des lyrischen Ichs wandelt sich in ein leidenschaftliches Verlangen, noch einmal die Nähe zur Geliebten zu spüren, ungeachtet der drohenden Gefahr. Die Bitten und Beobachtungen wirken von Mitleid und Begierde zugleich geprägt – zwischen Zärtlichkeit und Todessehnsucht oszillierend.

Das Finale des Gedichts gipfelt in der radikalen Hingabe: Das lyrische Ich ist bereit, sich dem „tödlichen Gift“ hinzugeben, das von der Geliebten ausgehen könnte. Der Wunsch, „sterbend noch höchste Wonnen“ zu genießen, verleiht der Szene eine dekadente und zerstörerische Note. Hier verbindet sich die Liebe untrennbar mit Krankheit, Tod und der Bereitschaft zur Selbstzerstörung.

Insgesamt ist „Verloren“ ein Ausdruck jener dekadenten Ästhetik, die die Lust an Grenzerfahrungen zwischen Leben, Liebe und Tod thematisiert. Dörmann erschafft ein Bild von Liebe als einer Macht, die sowohl Erlösung als auch Untergang bedeuten kann – eine Beziehung, in der sich Leidenschaft und Abgrund auf bedrohliche Weise durchdringen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.