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Totenliebe

Von

1.

Und leise trat ich an Dein Sterbelager,
Du kaum erschlossne, schnell verwelkte Blüte.
– – Mir war ja heimlich zugeflüstert worden,
Du hättest ganz im Stillen mich geliebt. – –

Noch einmal hoben sich die schweren Lider
Und aus den todesmatten Augen brach
Ein letzter – langer – tiefer Blick der Liebe,
Und Deine abgezehrte, kleine Hand,
Noch einmal legte sie sich fest in meine,
Und dann war Alles, Alles, Alles aus.

2.

Halb unbewußt war ich hinausgegangen…
Zu einer stillen, grünen Ruhestätte,
Zu einem schattenkühlen Schlummerbette,
In dem ein Herz vergißt sein Glutverlangen.

Und wieder faßte mich das alte Bangen,
Das ich so gerne längst begraben hätte,
Und wieder hörte ich Dein dumpfes: „Rette!“
Das mich verfolgt in Nächten, qualvoll langen.

Und meiner Brust, der heißen, sehnsuchtstollen,
Erstickte Liebeslaute sich entrangen,
Und schwere Reuetränen niederquollen.

Da lebenswarm noch glühten Deine Wangen,
War ich zu kalt, um Freundschaft nur zu zollen,
Und jetzt, nach Deinem Tod, dies Glutverlangen?

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Gedicht: Totenliebe von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Totenliebe“ von Felix Dörmann erzählt von einer tragischen Liebe, die erst im Tod ihre volle Intensität offenbart. Das lyrische Ich begegnet der geliebten Person auf dem Sterbebett, in dem Moment, in dem es für Geständnisse und Gefühle eigentlich zu spät ist. Die Thematik von Tod, Schuld und unerfüllter Liebe durchzieht das Gedicht in beiden Teilen und verleiht ihm eine melancholisch-bittere Stimmung.

Im ersten Teil schildert das lyrische Ich den letzten Moment am „Sterbelager“ der geliebten Person, die „schnell verwelkte Blüte“ genannt wird. Das Bild der Blüte unterstreicht die Zartheit und Vergänglichkeit der Gestalt. In einem letzten, innigen Blick und der Berührung der „abgezehrten, kleinen Hand“ spiegelt sich ein unerfülltes Liebesbekenntnis wider. Das „Alles aus“ markiert einen abrupten Endpunkt, der keine nachträgliche Aussprache oder Rettung mehr zulässt.

Der zweite Teil führt an das Grab der Verstorbenen. Die Naturbilder von „grüner Ruhestätte“ und „schattenkühlem Schlummerbett“ stehen in starkem Kontrast zur inneren Unruhe und zum „alten Bangen“ des lyrischen Ichs. Die Qual der unerwiderten oder verspäteten Liebe spitzt sich zu, als das Ich sich an ein „Rette!“ erinnert, das wie ein Nachhall der Verzweiflung klingt und sich bis in die Gegenwart der nächtlichen Gedanken zieht.

Besonders eindringlich ist die Selbstanklage: Zu Lebzeiten war das lyrische Ich „zu kalt“, um der Sterbenden die Zuneigung zu zeigen, die es nun nach dem Tod schmerzhaft empfindet. Das späte „Glutverlangen“ wirkt wie eine Mischung aus Reue, Schuld und nicht gelebter Liebe. Damit thematisiert Dörmann die Tragik verpasster Chancen und die beklemmende Einsicht, dass manche Gefühle erst im Angesicht des Verlustes ihr volles Gewicht entfalten.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.