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Sensationen

Von

1.

Ihr weichen Düfte und Ihr kühlen Farben,
Euch dank‘ ich meine letzte Seligkeit,
In Eurem wonneschwülen Bannkreis starben
Die rothen Qualen, die mich wild umwarben,
Der graue Jammer und das bleiche Leid.

Ein Bettler war ich – martervolles Darben
War meines Lebens traurig-ödes Loos.
Nun sprüht mit eins in üppig-reichen Garben,
In weichen Düften und in kühlen Farben
Das große Glück in meiner Seele Schoß.

2.

O Tuberosen, süße, wächsernbleiche,
O heißgeliebte, regungslose Schar!
Dass Euer Anblick nimmer mir entweiche!
Und Euer Hauch, der feuchte, zärtlich-reiche,
Süß-duftig wie die Haarflut einer Leiche,
Er möge mich umzittern immerdar.

O Tuberosen, süße, wächsernbleiche,
O heißgeliebte, regungslose Schar!

3.

In grauer Flut ist mir die Welt versunken,
Ein nebeltrübes, ödes Traumgebild,
Und farbenjauchzend, schwerer Düfte trunken
Die neue Welt aus meiner Seele quillt. –

O Silberlila, Deine weichen Wellen,
Wie Kinderseelen lilienkeusch und klar,
In meine flammenmüde Seele quellen,
Und meine Seele wird zum Hochaltar,

Wo Jubelhymnen Deiner Süße schwellen.

4.

O lasst mich, lasst mich ruh’n auf grünem Rasen,
In seinen Farbenzauber mich versenken,
Entfliehen allem qualvoll-heißen Denken
Zu meiner Seele schweigenden Extasen.

O lichtes Grün, wie Du die Seele weitest,
Um jede Nervenfaser zärtlich kost,
In’s Unermess’ne das Gefühl verbreitest,
O lichtes Wiesengrün – mein treuer Trost.

Wenn meine Seele sich vor Grausen sträubet,
Wenn alles öd und ekel ist geworden,

Wenn Qual und Sehnsucht jedes Glück ermorden,
Dein sanfter Schleier einzig sie betäubet.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Sensationen von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sensationen“ von Felix Dörmann ist ein vielschichtiges Loblied auf die Wirkung von Farben, Düften und sinnlichen Eindrücken. In vier Abschnitten beschreibt das lyrische Ich die Flucht aus Schmerz und Trostlosigkeit in die Welt ästhetischer Empfindungen. Dabei wird die Natur – besonders Blüten und Farben – zum Zufluchtsort und zur Quelle einer fast ekstatischen Erlösung von innerem Leid.

Im ersten Teil steht die Wandlung im Mittelpunkt: Die „weichen Düfte“ und „kühlen Farben“ befreien das lyrische Ich von „rothen Qualen“ und „grauem Jammer“. Hier wird deutlich, dass die Sinneseindrücke einen heilenden Kontrast zur zuvor empfundenen existenziellen Not bilden. Die Natur erscheint wie ein wohltuender Strom, der das „bettelnde“ und darbende Ich mit einem Gefühl des Glücks überflutet.

Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Tuberosen, die mit ihrer „wächsernbleichen“ Farbe und ihrem süßen, fast morbiden Duft beschrieben werden. Der Vergleich des Blütendufts mit der „Haarflut einer Leiche“ gibt der Szene eine dekadent-symbolistische Note, wie sie für Dörmanns Lyrik typisch ist. Die Verehrung der regungslosen, fast totenhaften Blume steht für eine Faszination mit dem Schönen im Verfallenen und Stillen.

Im dritten Abschnitt wird der Kontrast zwischen einer „grauen“ Außenwelt und der farbenprächtigen Innerlichkeit des lyrischen Ichs deutlich. Die Farben „Silberlila“ und die Metapher der „kinderseelenklaren“ Wellen schaffen ein Gefühl der Reinigung und Erneuerung. Die Seele des lyrischen Ichs verwandelt sich in einen „Hochaltar“, an dem die Schönheit der Natur wie eine sakrale Kraft gefeiert wird.

Im vierten Teil richtet sich die Aufmerksamkeit auf das „lichte Wiesengrün“, das als tröstender Schleier fungiert. Die Naturfarbe wirkt hier beruhigend und rettend, wenn das lyrische Ich sich vor „Grausen“ und „Ekel“ sträubt. Das Grün wird zum Gegenpol zu einer von Schmerz und Sehnsucht geprägten Welt und hilft, in „schweigende Extasen“ zu entfliehen. So zeigt das Gedicht, wie die Natur in ihrer sinnlichen Kraft für das lyrische Ich zur Zuflucht und Quelle einer tief empfundenen, fast religiösen Ekstase wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.