Letztes Finden
Verlassene Geliebte, schwergekränkte,
Noch einmal gib mir freundlich Deine Hand,
Die mir Dein großes Herz in Tagen schenkte,
Wo Du noch viel zu wenig mich gekannt.
Ein heißes Lieben und ein heißes Leiden
Hat unser beider Herzen durchgewühlt,
Sekundenlanges Finden, bittres Scheiden,
Und Reue dann, von Starrsinn unterkühlt.
Erschienen bist Du mir in stillen Stunden,
Wo klar und ruhig floss mein wildes Blut;
Ich wähnte damals, dass ich heimgefunden,
Und Alles, Alles sei nun endlich gut.
Dir aber ist ein böses Wort entglitten,
Ein ungewolltes, doch ein böses Wort;
Umsonst war Deiner Augen scheues Bitten,
Es peitschte mich aus Deinem Bannkreis fort.
Zerschmettert fallen traulich enge Schranken,
In trunknem Toben geht es abgrundwärts;
Wie tolle Rosse rasen die Gedanken
Und sie zerstampfen Dir und mir das Herz…
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Letztes Finden“ von Felix Dörmann beschreibt die schmerzhafte Erfahrung einer verlorenen Liebe, die von Reue und tiefen inneren Konflikten geprägt ist. Zu Beginn stellt das lyrische Ich eine Bitte an die „verlassene Geliebte“, die „freundlich“ noch einmal ihre Hand reichen möge, was auf den Wunsch nach Versöhnung und das Streben nach einer Rückkehr zur früheren Nähe hinweist. Die Erinnerung an die gemeinsame Zeit wird von einer bestimmten Sehnsucht und Wehmut getragen, wobei das lyrische Ich den Moment des „Findens“ als eine Zeit beschreibt, in der das Herz der Geliebten ihm „viel zu wenig“ bekannt war, was auf ein Ungleichgewicht in der Beziehung hindeutet.
Die nächste Strophe stellt die Beziehung als ein Wechselspiel von intensiven Gefühlen dar: „heißes Lieben“ und „heißes Leiden“ zeigen die extremen Höhen und Tiefen der gemeinsamen Zeit. Die Darstellung von „Sekundenlangem Finden“ und „bittres Scheiden“ bringt die Zerrissenheit und das schnelle Aufeinandertreffen und Auseinandergehen von intensiven Emotionen zum Ausdruck. Diese kurzen, intensiven Momente der Zweisamkeit und der schmerzhaften Trennung unterstreichen das flüchtige und oft zerstörerische Wesen der Beziehung. Die „Reue“, die durch „Starrsinn unterkühlt“ wird, deutet darauf hin, dass das lyrische Ich die Verantwortung für das Scheitern der Beziehung in sich trägt, jedoch von einer hartnäckigen Haltung blockiert wird.
Das Gedicht wandelt sich mit der Darstellung des Moments der scheinbaren Harmonie, in dem das lyrische Ich in „stillen Stunden“ glaubte, „heimgefunden“ zu haben und dass „alles nun endlich gut“ sei. Diese Hoffnung wird jedoch jäh zerstört, als ein „böses Wort“ aus der Geliebten hervorgeht. Dieses Wort, das ungewollt und dennoch schädlich ist, entweicht aus ihr und führt dazu, dass das lyrische Ich aus ihrem Bannkreis „fort“ gepeitscht wird. Das Bild des „bösen Wortes“ zeigt, wie zerbrechlich das Band zwischen den beiden war und wie leicht es durch Missverständnisse oder unbedachte Äußerungen zerstört werden kann.
In der letzten Strophe kommt es zu einem dramatischen Bruch: Die „enge Schranken“ fallen, und „abgrundwärts“ stürzen die Gefühle des Ichs in ein „trunkenes Toben“. Die „tollen Rosse“ und das „zerstampfte Herz“ symbolisieren das unaufhaltsame, zerstörerische Fortgehen der Gedanken und Emotionen. Die wilde, unkontrollierbare Raserei der Gefühle, die das Herz beider zerstören, verdeutlicht den Verlust der Liebe und die Unfähigkeit, den Schmerz zu beherrschen. Das Gedicht endet in einer düsteren, fast tragischen Szene, in der die zerstörerische Macht von Worten und Missverständnissen die Liebe und das Herz beider Menschen zu zermalmen scheint.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.