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Der Wachtelruf

Von

Wir gingen sacht dem Abend nach,
Der Himmel war ein goldnes Dach,
Der Tann voll dunkler Kammern stand,
Und wie ein Bett das Ährenland.
Ein Lockruf tat ans Ohr mir gehen,
Andächtig blieb der Fuß uns stehen.
Der Wachtel Herz noch spät anschlug,
Sie hatte nicht vom Tag genug,
Sie fand noch keine Abendzeit,
Rief noch ihr Glück aus meilenweit.

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Gedicht: Der Wachtelruf von Max Dauthendey

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Wachtelruf“ von Max Dauthendey ist eine zarte, stimmungsvolle Naturbetrachtung, die den Übergang vom Tag zur Nacht einfängt und dabei eine tiefe poetische Ruhe ausstrahlt. Der Sprecher beschreibt einen stillen Abendspaziergang, bei dem sich Natur, Licht und Empfindung zu einer fast meditativen Einheit verbinden. Der Himmel wird zum „goldnen Dach“, das Feld zum „Bett“, und der dunkle Tannenwald erscheint wie ein Haus mit geheimnisvollen Kammern – Natur als schützender, fast heiliger Raum.

Im Mittelpunkt des Gedichts steht der Ruf der Wachtel, der wie ein „Lockruf“ das Ohr erreicht und einen Moment des Innehaltens auslöst. Diese Unterbrechung des Gehens durch den Laut eines Tiers wird zu einer Art feierlichem Augenblick, in dem sich die Wahrnehmung schärft und das Herz öffnet. Die Wachtel selbst wird vermenschlicht: Ihr „Herz schlägt“ noch in der späten Stunde, sie hat „nicht vom Tag genug“ – als wäre auch sie erfüllt von Lebensfreude oder innerer Unruhe.

Dauthendey gelingt es, diesen kurzen Moment der Abenddämmerung mit einer tiefen emotionalen Resonanz aufzuladen. Die Wachtel wird zur Stimme einer nicht enden wollenden Sehnsucht, die selbst im abendlichen Frieden noch ihren Ausdruck sucht. Ihr Ruf „aus meilenweit“ deutet auf eine Verbindung von Nähe und Ferne, von innerer Bewegung in äußerer Stille.

Das Gedicht verbindet Naturbeobachtung mit leiser Symbolik: Der Tag endet, aber das Leben klingt weiter – in Rufen, in Erinnerungen, im Herzschlag. So entsteht ein poetisches Bild für das Verweilen, das Lauschen und das stille Weiterleben im Moment des Abschieds vom Tag.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.