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Abschieds-Liedchen

Von

Hat meines Hertzens keusche Brunst
Dann bey dem Himmel keine Gunst,
Daß ich dich, Schönste, muß verlassen?
Hie wo du stets mit Neid vnd List
Der falschen Zungen, die dich hassen,
Mein Sinnen-Trost, umbgeben bist?

Entschlag dich aber aller Pein
Vnd laß dein Hertz versichert seyn,
Daß ich kurtzumb nicht von dir scheide,
Mein blosser Schatten zeucht von hier,
Ich aber bleib‘ in Lieb‘ vnd Leide
Stets umb dich her vnd diene dir.

Laß nur die Mißgunst immerhin
Vergifftet aus verboßtem Sinn‘
Auff dich zu stechen sich bemühen,
Es schmertzt sie, daß dein Glantz vnd Pracht,
Du edle Rose, so mus blühen
Vnd sie, die Hecken, schamroht macht.

Es kömpt, ob Gott wil, noch die Zeit,
Daß wir der Disteln rauhes Kleidt
Durch unsrer Liebe Brunst verbrennen,
Da man hergegen nichts an dir,
Du güldne Bluhme, wird erkennen
Als Glantz vnd unverwelckte Zier.

Nun, hiemit reis‘ ich auff den Schluß
Des Himmels, dem ich folgen muß,
Doch wo ich mich befinden werde,
Daselbst wird auch dein Licht vnd Schein,
Dein Sinn vnd höfliches Geberde
Mein Thun, Red‘ vnd Gedancken seyn.

Ach, wenn es kürtzlich wird geschehn,
Daß ich dich wieder werde sehn
Vnd deiner Gegenwart geniessen,
Ich werde dieses Gut, mein Liecht,
Mit nichts hie zu vertauschen wissen,
Mit keinem Kayserthum auch nicht.

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Gedicht: Abschieds-Liedchen von Simon Dach

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Abschieds-Liedchen“ von Simon Dach thematisiert die schmerzvolle Trennung zweier Liebender, die jedoch durch eine tiefe, treue und idealisierte Liebe überbrückt werden soll. Es handelt sich um ein lyrisches Abschiedsgedicht, in dem das Ich beteuert, dass der körperliche Abschied keinesfalls eine seelische oder emotionale Entfernung bedeutet.

Von Beginn an steht die Frage im Raum, ob eine so aufrichtige und „keusche Brunst“ vom Himmel keine Gunst verdiene – ein Ausdruck von Zweifel und Klage über das erzwungene Verlassen der Geliebten. Zugleich wird das Umfeld der Geliebten als feindlich beschrieben: Sie ist von Neid und falschen Zungen umgeben. Das Ich stellt sich damit als ihr einziger wahrer Vertrauter und Verteidiger dar, was die Intensität der Bindung unterstreicht.

Im weiteren Verlauf betont der Sprecher, dass nur sein „bloßer Schatten“ geht, er selbst aber im Geiste und in Liebe bei ihr bleibt. Die Vorstellung der Liebe als überdauernde geistige Verbindung steht im Zentrum des Gedichts. Die Geliebte wird mehrfach mit edlen Naturbildern bedacht – als „edle Rose“, „güldne Bluhme“, Inbegriff von Schönheit und Anmut – während ihre Gegner als „Hecken“ und „Disteln“ abgewertet werden. So wird die Geliebte nicht nur verherrlicht, sondern auch gegen äußere Angriffe symbolisch geschützt.

Ein starker Trostgedanke zieht sich durch das Gedicht: Die Hoffnung auf eine künftige Wiedervereinigung. Diese wird sogar mit religiöser Hoffnung auf das Jenseits verbunden – der Sprecher sagt, er folge dem „Himmel“, aber ihre Verbindung bleibe lebendig, ihr Wesen begleite sein Denken, Reden und Handeln. Die letzte Strophe schließt mit dem sehnsuchtsvollen Wunsch auf ein baldiges Wiedersehen, das er als unersetzlichen Schatz wertet – kostbarer als jedes irdische Gut, sogar als ein Kaiserreich.

Insgesamt verbindet das Gedicht barocke Themen wie Vanitas und Trennung mit einer starken idealisierten Liebeskonzeption. Die Sprache ist kunstvoll, geprägt von Metaphern aus Natur und Religion, und spiegelt eine tiefe emotionale wie spirituelle Verbundenheit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.