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Kriegslied

Von

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch‘ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf‘ mir Kron‘ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

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Gedicht: Kriegslied von Matthias Claudius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kriegslied“ von Matthias Claudius ist ein eindringlicher, pazifistischer Appell gegen die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges. Es thematisiert das moralische Dilemma des Einzelnen, der in einen Krieg verwickelt ist oder Verantwortung dafür tragen könnte. Claudius stellt in schlichten, aber eindrucksstarken Bildern das menschliche Leid in den Vordergrund und lehnt jegliche heroische Verklärung des Krieges ab.

Das lyrische Ich beginnt mit einem flehentlichen Ausruf: „’s ist Krieg!“ – die Wiederholung verstärkt die Dramatik und zugleich die Ohnmacht gegenüber dem Geschehen. Der Appell an „Gottes Engel“ sowie die direkte Anrede Gottes unterstreichen die existenzielle Verzweiflung und das moralische Unbehagen. Das Ich distanziert sich ausdrücklich: „ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!“ – diese Formulierung zieht sich wie ein Refrain durch das Gedicht und betont die Ablehnung jeglicher Mitverantwortung.

Die folgenden Strophen entfalten eindrucksvolle Szenarien des Schreckens: Tote, Verstümmelte, trauernde Angehörige, Hunger und Seuchen – das lyrische Ich imaginiert, wie die Opfer des Krieges sich gegen ihn wenden könnten, wenn er Mitschuld trüge. Besonders auffällig ist, dass nicht der Ruhm der Sieger, sondern das Leiden der Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Frage „Was sollt ich machen…?“ zeigt eine tiefe innere Erschütterung und stellt die Verantwortung des Einzelnen über staatliche oder militärische Ziele.

Am Ende kehrt das Gedicht zur Ausgangsfrage zurück und bringt die zentralen Werte des lyrischen Ichs auf den Punkt: Kronen, Land, Gold und Ehre – all die äußeren Güter und Symbole der Macht – sind nichts wert angesichts der Schuld, die durch Krieg aufgeladen wird. Das Gedicht ist dadurch nicht nur ein stiller Protest, sondern auch eine ethische Mahnung: Der wahre Wert liegt im Mitgefühl, nicht im Triumph. Claudius stellt damit einen selten deutlichen Kontrapunkt zur Kriegsverherrlichung seiner Zeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.