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Hund und Katze

Von

Miezel, eine schlaue Katze,
Molly, ein begabter Hund,
Wohnhaft an demselben Platze,
Hassten sich aus Herzensgrund.

Schon der Ausdruck ihrer Mienen,
Bei gesträubter Haarfrisur,
Zeigt es deutlich: Zwischen ihnen
Ist von Liebe keine Spur.

Doch wenn Miezel in dem Baume,
Wo sie meistens hin entwich,
Friedlich dasitzt, wie im Traume,
Dann ist Molly außer sich.

Beide lebten in der Scheune,
Die gefüllt mit frischem Heu.
Alle beide hatten Kleine,
Molly zwei und Miezel drei.

Einst zur Jagd ging Miezel wieder
Auf das Feld. Da geht es bumm.
Der Herr Förster schoss sie nieder.
Ihre Lebenszeit ist um.

Oh, wie jämmerlich miauen
Die drei Kinderchen daheim.
Molly eilt, sie zu beschauen,
Und ihr Herz geht aus dem Leim.

Und sie trägt sie kurz entschlossen
Zu der eignen Lagerstatt,
Wo sie nunmehr fünf Genossen
An der Brust zu Gaste hat.

Mensch mit traurigem Gesichte,
Sprich nicht nur von Leid und Streit.
Selbst in Brehms Naturgeschichte
Findet sich Barmherzigkeit.

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Gedicht: Hund und Katze von Wilhelm Busch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hund und Katze“ von Wilhelm Busch erzählt in einer für ihn typischen Mischung aus Humor, Beobachtungsgabe und moralischer Pointe eine anrührende Geschichte über Feindschaft, Verlust und Mitgefühl. Ausgangspunkt ist die klassische Gegnerschaft zwischen Hund und Katze, die Busch zunächst augenzwinkernd karikiert, nur um diese Konstellation im weiteren Verlauf überraschend ins Rührende zu wenden.

Zu Beginn beschreibt Busch das Verhältnis zwischen Miezel, der schlauen Katze, und Molly, dem begabten Hund, als tief feindselig. Die Abneigung zwischen beiden Tieren ist so stark, dass selbst ihre äußere Erscheinung – „gesträubte Haarfrisur“ und finstere Mienen – ihre gegenseitige Ablehnung zum Ausdruck bringt. Diese humorvolle Überzeichnung knüpft an gängige Vorstellungen über das „ewige“ Zerwürfnis zwischen Hund und Katze an.

Doch dann schlägt die Handlung unerwartet um: Miezel wird auf einem ihrer Streifzüge vom Förster erschossen. Zurück bleiben ihre drei Jungen, die hilflos miauen. In diesem Moment zeigt sich eine tiefere Seite der scheinbar so streitsüchtigen Molly: Sie ist erschüttert, lässt sich von Mitgefühl leiten und nimmt die verwaisten Kätzchen bei sich auf – neben ihren eigenen Welpen. Diese Handlung wird nicht erklärt oder ausgeschmückt, sondern schlicht beschrieben – und wirkt gerade dadurch umso eindrucksvoller.

Die letzte Strophe bringt die moralische Pointe: Selbst da, wo man nur Streit erwartet – „Hund und Katze“, Sinnbild für Zwietracht – kann Mitgefühl und Barmherzigkeit aufscheinen. Busch kontrastiert dabei die oft klagende Haltung des Menschen („Mensch mit traurigem Gesichte“) mit der stillen Güte eines Tieres. In humorvoller Überhöhung verweist er sogar auf Brehms Tierleben – also auf die Naturwissenschaft – um zu sagen: Selbst dort findet sich Menschlichkeit, wenn wir sie zu erkennen bereit sind.

„Hund und Katze“ ist somit mehr als eine tierische Anekdote. Es ist eine Parabel über Mitgefühl über Grenzen hinweg – sei es zwischen Arten oder Charakteren. Busch zeigt, dass wahre Barmherzigkeit nicht an Vorlieben, Vorurteilen oder bisherigen Konflikten scheitert, sondern dort beginnt, wo Not erkannt und spontan geholfen wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.