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Der Entfernten

Von

1. Sonett

O wie soll ich Kunde zu ihr bringen,
Kunde dieser ruhelosen Pein,
Von der Holden so getrennt zu sein,
Da Gefahren lauernd mich umringen.

Hüll‘ ich, der Entfernten sie zu singen,
In den Flor der Heimlichkeit mich ein:
Ach! so achtet sie wohl schwerlich mein,
Und vergebens muß mein Lied erklingen.

Doch getrost! Zerriß nicht, als sie schied,
Laut ihr Schwur die Pause stummer Schmerzen:
„Mann, du wohnest ewig mir im Herzen“?

Diesem Herzen brauchest du, o Lied,
Des Verhüllten Namen nicht zu nennen:
An der Stimme wird es ihn erkennen.

2. Sonett

Du mein Heil, mein Leben, meine Seele,
Süßes Wesen, von des Himmels Macht
Darum, dünkt mir, nur hervorgebracht,
Daß dich Liebe ganz mir anvermähle!

Welcher meiner todeswerthen Fehle
Bannte mich in diesen Sclavenschacht,
Wo ich fern von dir, in öder Nacht,
Ohne Licht und Wärme mich zerquäle?

O warum entbehret mein Gesicht
Jenen Strahl aus deinem Himmelsauge,
Den ich dürftig nur im Geiste sauge?

Und die Lippe, welche singt und spricht,
Daß ich kaum ihr nachzulallen tauge,
O warum erquickt sie mich denn nicht?

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Gedicht: Der Entfernten von Gottfried August Bürger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Entfernten“ von Gottfried August Bürger besteht aus zwei Sonetten, die die Sehnsucht und den Schmerz des lyrischen Ichs über eine unerreichbare Geliebte thematisieren. Im ersten Sonett wird die Unfähigkeit des lyrischen Ichs, seine Gefühle direkt auszudrücken, deutlich. Er ist von der „Heldin“ seiner Sehnsüchte getrennt, und die „ruhelosen Pein“ quält ihn. Die Formulierung, dass er sich in „den Flor der Heimlichkeit“ hüllt, zeigt seine Bemühung, seine Gefühle zu verbergen, da er fürchtet, dass sie in der Entfernung nicht beachtet werden. Trotz dieser Zweifel bleibt ihm die Hoffnung auf eine Verbindung durch die Erinnerung an ein gelobtes Versprechen der Geliebten.

Im zweiten Teil des ersten Sonetts zeigt sich eine subtile Wendung. Der lyrische Sprecher erinnert sich an ein Versprechen der Geliebten: „Mann, du wohnest ewig mir im Herzen.“ Dies vermittelt die Idee einer bleibenden emotionalen Bindung, die auch über physische Trennung hinaus existiert. Das Gedicht schließt mit der Vorstellung, dass sein Lied – das Symbol seiner Gefühle – auch ohne den Namen der Geliebten zu erkennen ist, da es durch die Stimme des Herzens spricht, die ihre wahre Bedeutung trägt. Hier wird eine metaphysische Verbindung zwischen den Liebenden angedeutet, die über Worte und materielle Grenzen hinausgeht.

Im zweiten Sonett des Gedichts vertieft sich die Darstellung der Sehnsucht und des inneren Konflikts des lyrischen Ichs. Der Sprecher bezeichnet die Geliebte als „mein Heil, mein Leben, meine Seele“, was die zentrale Bedeutung dieser Frau für sein Dasein unterstreicht. Er sieht in ihr das einzige Licht in der Dunkelheit seiner Existenz, da er „fern von dir, in öder Nacht“ lebt. Diese metaphorische Dunkelheit verstärkt das Bild der emotionalen und physischen Trennung, die er erträgt. Die Frage „O warum entbehret mein Gesicht / Jenen Strahl aus deinem Himmelsauge?“ zeigt den tiefen Wunsch nach Nähe und Wärme, den der Sprecher zu erfahren hofft.

Am Ende des Gedichts fragt der Sprecher erneut, warum seine Lippen, die von Sehnsucht singen, nicht die erwünschte Erfüllung bringen. Die Unzufriedenheit mit seiner eigenen Unvollständigkeit und das Fehlen der ersehnten Antwort durch die Geliebte schaffen eine Atmosphäre der Frustration und Sehnsucht. Die Geliebte bleibt als unerreichbarer, fast göttlicher Mittelpunkt seiner Welt, und die tiefe innere Zerreißung zwischen der Liebe und der unerfüllten Sehnsucht bleibt das zentrale Motiv des Gedichts.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.