Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
,

Duldung

Von

Schwarzes Eisen, kalt und spröde,
Schelten möchte ich dich nicht,
Weil es dir an Lebenswärme
Und an Biegsamkeit gebricht.

Bist du doch in Feuersgluten
Zischend einst emporgewallt,
Eh du unter Hammerschlägen
Musstest werden starr und kalt.

Und, so sollt auch ihr nicht schelten,
Wenn ihr seht ein kaltes Herz,
Sollt ihm heißes Mitleid zollen,
Weil es gleicht dem toten Erz.

Wisst ihr denn, ob es nicht glühend,
Zischend einst emporgewallt,
Bis es unter Schicksalsschlägen
Ward wie Eisen starr und kalt?

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Duldung von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Duldung“ von Luise Büchner thematisiert die menschliche Fähigkeit zur Empathie und das Verständnis für das Leiden und die Härte des Lebens. Die erste Strophe beschreibt das Bild eines „schwarzen Eisens“, das „kalt und spröde“ ist. Das Eisen, ein Symbol für Härte und Unnachgiebigkeit, wird jedoch nicht scharf kritisiert. Vielmehr wird seine Kälte mit dem Fehlen von „Lebenswärme“ und „Biegsamkeit“ erklärt, was auf eine tiefere, vielleicht schmerzhaftere Bedeutung verweist: Das Eisen hat in seiner Entstehung einen Transformationsprozess durchlaufen, der es zu dem gemacht hat, was es ist.

Im zweiten Abschnitt wird das Eisen in einem metallurgischen Prozess beschrieben: Es „emporgeschossen“ aus den „Feuersgluten“ und wurde durch „Hammerschläge“ zu dem starren, kalten Zustand gebracht. Dieser Prozess dient als Metapher für das menschliche Leben, das häufig von äußeren Einflüssen und Schicksalsschlägen geprägt ist, die die Menschen formen und oft verhärten. Büchner fordert uns auf, dieses Verstehen zu übernehmen und nicht sofort Urteile zu fällen, sondern vielmehr Mitgefühl für diejenigen zu entwickeln, die „kalt“ erscheinen, ohne zu wissen, was sie durchgemacht haben.

Der Refrain des Gedichts betont diese Botschaft, indem er erklärt, dass auch „kalte Herzen“ nicht sofort verurteilt werden sollten. Das Bild des Eisens wird erneut als Parabel für das menschliche Herz verwendet: Ein kaltes Herz ist nicht zwangsläufig ein „böses“ oder „unempfindliches“ Herz, sondern könnte ein Ergebnis von Schmerzen und Schicksalsschlägen sein. Büchner fordert dazu auf, Mitgefühl zu zeigen und das „heiße Mitleid“ zu entwickeln, anstatt ein Urteil zu fällen, da das kalte Herz möglicherweise aus den gleichen „Feuersgluten“ und „Hammerschlägen“ hervorgegangen ist, die das Eisen geprägt haben.

Die abschließenden Verse stellen eine rhetorische Frage, die den Leser dazu anregt, über das eigene Verständnis und Mitgefühl nachzudenken. Der Gedanke, dass auch das „glühende“ Herz irgendwann „starr und kalt“ werden kann, stellt das menschliche Erleben in den Mittelpunkt – und die Erkenntnis, dass Schmerz und Leid Menschen verändern, ohne dass wir immer die Ursachen dafür kennen. So fordert Büchner zu einer Haltung der Duldung und des Mitleids auf, anstatt sich von Kälte und Härte abwenden zu lassen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.