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Am Ammersee

Von

Es steht eine Weide am Ammersee.
Die taucht ihr Gezweig in die Fluten.
„Ade, goldhaariger Schatz, ade!
Nun gilts für den König zu bluten.
Traut war es zu kosen, Boot an Boot,
Wenn die Wasser rauschten im Ammersee,
Und über ein Jahr, wer weiß, bin ich tot –
Ade nun, mein Schatz, ade!“

Sie fuhren noch einmal den See entlang
Wohl unter die flüsternde Weide,
Die Herzen so weh, die Herzen so bang –
sie kosten in Lust und in Leide.
Ab stieß er den Nachen – er schwenkte den Hut:
Da rauschten die Wasser im Ammersee.
„Dem König gehorchte ein Soldatenblut –
Ade nun, mein Schatz, ade!“

Und über ein Jahr ein Reitergrab
Liegt einsam auf fremder Heide.
Es neigt die Zweige darüber herab
Eine wilde, verwachsene Weide;
Sie seufzt in die Winde – die tragen es fort,
die Wasser rauschen im Ammersee:
„Dein Liebster, der schlummert am Heideort –
Ade nun, mein Schatz, ade!“

Eine Weide, die steht am Ammersee;
Sie taucht ihr Gezweig in die Fluten;
Es tut wohl kein Herzeleid so weh,
Als um Liebe, um Liebe verbluten.
Nun schimmerts herauf alabasterweiß
Durch die rauschenden Wasser im Ammersee:
„Goldhaarige Stirn, wir umplätschern dich leis –
Ade nun, mein Schatz, ade!“

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Gedicht: Am Ammersee von Ernst Ziel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Ammersee“ von Ernst Ziel schildert eine bewegende Liebesgeschichte, die von Abschied und Verlust geprägt ist. Die Weide am Ammersee dient als zentrales Symbol, das die Vergänglichkeit der Liebe und des Lebens widerspiegelt. Zu Beginn des Gedichts beschreibt die Weide, wie sie ihr Gezweig in die Fluten taucht, was eine tiefe Verbindung zwischen der Natur und den Gefühlen der Protagonisten herstellt. Die Worte „Ade, goldhaariger Schatz, ade!“ deuten auf einen Abschied hin, bei dem der Liebende in den Dienst des Königs tritt, was die Trennung von der geliebten Person symbolisiert. Diese Trennung wird von einem tragischen Ton begleitet, der den Verlust und die damit verbundene Opferbereitschaft verdeutlicht.

In der zweiten Strophe sehen wir die letzte gemeinsame Fahrt des Paares, die von der Weide und dem See begleitet wird. Die „Herzen so weh“ und „Herzen so bang“ verdeutlichen die innere Zerrissenheit und das Leid, das der Abschied mit sich bringt. Die Fahrt auf dem See, symbolisch für die Reise des Lebens, endet mit der finalen Trennung, als der Mann den Nachen abstößt und sich dem Dienst des Königs zuwendet. Diese Szene zeigt den Konflikt zwischen persönlicher Liebe und gesellschaftlicher Pflicht. Der Satz „Dem König gehorchte ein Soldatenblut“ verweist auf das Opfer, das der Mann bringt, und das Ende der gemeinsamen Zeit.

In der dritten Strophe wird die Geschichte des Mannes weitergeführt. Über ein Jahr später liegt er „einsam auf fremder Heide“, und sein Grab wird von einer wilden, verwachsenen Weide bedeckt, was den Kreislauf von Leben und Tod verdeutlicht. Diese Strophe zeigt den endgültigen Verlust des Liebsten und den ständigen Bezug zur Natur, die die Erinnerung an den Verstorbenen bewahrt. Die Weide, die sich über das Grab neigt, und der Wind, der die Seufzer davonträgt, verstärken das Gefühl der Trauer und der Vergänglichkeit. Der wiederholte Ruf „Ade nun, mein Schatz, ade!“ erinnert an den endgültigen Abschied.

Die letzte Strophe bringt eine tiefere Reflexion über den Schmerz der Liebe und des Verlustes. Die Weide steht wieder am See, und das Bild, wie sie ihr Gezweig in die Fluten taucht, wiederholt sich, was auf den immerwährenden Schmerz des Abschieds hinweist. Der Gedanke, dass „kein Herzeleid so weh“ tut wie der Verlust der Liebe, wird durch die rauschenden Wasser des Ammersees untermalt, die den Klang der ewigen Trauer tragen. Das Gedicht endet mit dem Bild der „goldhaarigen Stirn“, die „alabasterweiß“ durch das Wasser schimmert, ein Bild für die Unsterblichkeit der Erinnerung und den unvergänglichen Schmerz der verlorenen Liebe.

Ziel vermittelt hier auf eindrucksvolle Weise, wie Natur und Emotion miteinander verschmelzen. Die Weide am Ammersee wird zum Symbol für den Zyklus von Liebe, Verlust und Erinnerung. Das Gedicht zeigt, dass Liebe und Tod untrennbar miteinander verbunden sind und dass der Schmerz des Verlustes in der Natur weiterlebt, getragen von den „rauschenden Wasser[n] im Ammersee“.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.