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Zigarette

Von

Der Wind raucht eine Zigarette,
Sie liegt am Aschenschalenrand
Und dampft, als ob sie Atem hätte,
Durchs Zimmer, ohne Mund und Hand.

Die Hand, sie fand im weißen Bette
Statt grauen Rauchs ein Glück in Blau:
Es raucht der Wind die Zigarette,
Der freie Mund küsst eine Frau.

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Gedicht: Zigarette von Alfred Wolfenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zigarette“ von Alfred Wolfenstein ist ein kurzes, pointiertes Werk, das in nur zwei Strophen eine überraschende Wendung vollzieht – von der scheinbar leblosen Alltagsbeobachtung hin zu einer Szene sinnlicher Nähe und Befreiung. Es lebt von metaphorischer Dichte und einem spielerischen Umgang mit Perspektive und Bedeutung.

Zu Beginn wird die Zigarette personifiziert: Der Wind scheint sie zu „rauchen“, als hätte sie „Atem“, obwohl weder „Mund noch Hand“ vorhanden sind. Die Atmosphäre wirkt still, fast gespenstisch – der Rauch bewegt sich durch den Raum wie ein autonomes Wesen. Diese Verszeilen schaffen eine Art Vakuum, in dem das Leben nur angedeutet, aber nicht wirklich gegenwärtig ist. Der Raum ist zwar belebt durch Rauch, aber leer von menschlicher Präsenz.

Erst in der zweiten Strophe wird diese Leere aufgelöst. Der Wind, der zunächst als unpersönliche Kraft erscheint, wird zur Metapher für Befreiung oder vielleicht auch für das Verlassen des Alltäglichen. Die „Hand“, die zuvor nicht vorhanden war, wird nun aktiv – sie findet „im weißen Bette“ nicht mehr nur Asche und Rauch, sondern „ein Glück in Blau“. Diese Farbe könnte für Tiefe, Sehnsucht oder seelische Erfüllung stehen. Damit erfährt die Szene eine klare Wendung vom Symbol des Alleinseins zur Darstellung von Intimität.

Die Wiederholung des ersten Verses in leicht veränderter Form – „Es raucht der Wind die Zigarette“ – stellt nun einen Kontrast zur sinnlichen Erfahrung des „freien Mundes“ dar, der „eine Frau küsst“. Der Wind bleibt als distanziertes Bild bestehen, doch der Mensch tritt wieder ins Zentrum: aktiv, befreit und verbunden. So entsteht ein poetischer Gegensatz zwischen dem mechanischen, beinahe toten Bewegungsmuster des Windes und der lebendigen, zwischenmenschlichen Erfahrung der Liebe oder Lust.

„Zigarette“ zeigt Wolfensteins Fähigkeit, in knapper Form tiefere Bedeutungen zu entfalten – es geht um Einsamkeit und Nähe, um das Automatische und das Lebendige, um Beobachtung und Erleben. Der scheinbar banale Moment des Zigarettenrauchens wird zur Projektionsfläche für existentielle und emotionale Gegensätze.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.