Fröhlicher Regen
Wie der Regen tropft,
An die Scheiben klopft,
Jeder Strauch ist naß bezopft.
Wie der Regen springt!
In den Blättern singt
Eine Silberuhr.
Durch das Gras hin läuft,
Wie eine Schneckenspur,
Ein Streifen weiß beträuft.
Das stürmische Wasser schießt
In die Regentonne,
Daß die überfließt,
Und in breitem Schwall
Auf den Weg bekiest
Stürzt Fall um Fall.
Und der Regenriese,
Der Blauhimmelhasser,
Silbertropfenprasser,
Niesend faßt er in der Bäume Mähnen,
Lustvoll schnaubend in dem herrlich vielen Wasser.
Und er lacht mit fröhlich weißen Zähnen
Und mit kugelrunden, nassen Freudentränen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Fröhlicher Regen“ von Clemens Brentano ist eine lebendige, fast übermütige Naturbeschreibung, in der der Regen personifiziert und zum zentralen Akteur einer ausgelassenen Szene gemacht wird. Brentano verbindet präzise Naturbeobachtung mit einer spielerischen Fantasie, wodurch ein eindrucksvolles Bild von Bewegung, Klang und kindlicher Freude entsteht.
Schon in den ersten Versen wird der Regen nicht nur als Naturphänomen beschrieben, sondern erhält durch seine vielfältigen Wirkungen auf die Umwelt eine beinahe tänzerische Qualität. Er „tropft“, „klopft“, „springt“ und „singt“, er hinterlässt Spuren wie eine „Schneckenspur“ im Gras. Diese lautmalerischen und visuellen Eindrücke machen den Regen zu etwas Sinnlichem, das man nicht nur sieht, sondern fast hören und fühlen kann.
Ein zentrales Bild ist die „Silberuhr“, die in den Blättern zu singen scheint – eine poetische Metapher für das gleichmäßige, rhythmische Geräusch des Regens. Auch die Natur reagiert auf dieses Ereignis: Die Regentonne läuft über, das Wasser spritzt in Wellen und wird zum kraftvollen, fast wilden Element. Hier wird der Regen nicht als düster oder bedrückend dargestellt, sondern als etwas Vitales, das Leben und Bewegung bringt.
Die Figur des „Regenriesen“, der in der zweiten Hälfte des Gedichts erscheint, verleiht dem Naturgeschehen eine mythische Dimension. Dieser Riese, ein „Blauhimmelhasser“ und „Silbertropfenprasser“, wirkt bedrohlich und verspielt zugleich – er tobt sich in den Wassermassen aus, schnaubt und niest, und zeigt dabei Freude und Kraft. Besonders das Bild seiner „kugelrunden, nassen Freudentränen“ verleiht der Szene etwas zutiefst Menschliches, fast Rührendes.
Brentano gelingt es mit diesem Gedicht, den Regen als Quelle lebendiger Poesie zu zeigen. Der sonst oft mit Trübsinn assoziierte Regen wird hier zum Ausdruck von Überfluss, Wildheit und kindlichem Staunen – ein fröhliches Naturfest, das den Alltag durchbricht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.