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Der Mond

Von

Gestirn der Trauer, liebliche Schutzgottheit
Gestürzter Tempel, du der Ruinenwelt
Schwermüth’ge Freundin, wie zur Heimath
Hast du erkoren die stille Roma!

Du selbst ja gleichst ihr: wie du dein heilig Licht
Der Sonne dankst, der untergegangenen,
So dankt auch sie die ew’ge Hoheit
Ihrer entflohenen Herrschersonne.

Wo auch herab sich senke dein milder Blick,
Ob auf die öden Mauern, wo einsam sich
Die Straße windet und zuweilen
Epheubewachsene Gräber düstern,

Ob auf Kapellen, schweigende Klöster auch,
Die halb aus vollen Büschen und Gärten sich
Im Schattendach der Pinie heben,
Halb sich im üpp’gen Gewächs verbergen,

Ob in des Tibers schicksalgeweihte Fluth,
Wo sich des Fischers Netz in die Wasser taucht,
Und Brück‘ und Insel und der Besta
Trauernder Tempel der Erd‘ entsteigen;

Stets blickst mit gleicher Liebe dein Rom du an,
Und unaussprechlich finster erhaben ruht’s,
Mit Trümmern und Cypressenhügeln
Dämmernd in Mondlicht und Todtenstille.

So oft in tiefen Schauern durchwandl‘ ich noch
Die hohen Stätten, und die Allee entlang
Lenk‘ ich den Tritt, wo einst der heil’ge
Weg an den Tempeln vorüberführte.

Dann harr‘ ich, bis die Glock‘ auf dem Capitol
Die ernste Stund‘ ankündigt der Mitternacht,
Ein dumpfer Klang und plötzlich wieder
Schweiget die Welt und ihr off’nes Grab hier.

Dir dann, du schmachtend Auge der Nacht, o Mond,
Dir blick‘ ich träumend wieder von neuem zu,
Die Wolken seh‘ ich um dich wandeln,
All‘, wie sie kommen, wie sie verschwinden.

Oft bist du klar, sanft lächelnde Freundin Roms!
Oft aber gleich den Schatten des Schicksals, gleich
Den Völkerstürmen und den Schrecken,
Die einst gewüthet an Roma’s Himmel,

Bedeckt dein Antlitz fliegend Gewölk, und schwarz
Entragt der Siegesbogen des Abgrunds Grau’n,
Und selbst des Donn’rers Säulentempel
Schwindet in Dämm’rung am Capitole.

Und stumm seh‘ ich die mächtigen Treppen an,
Die nun urplötzlich wieder der Vollmond hellt,
Und starre hin, und lausch‘ und horche,
Ob wohl nicht Cäsar heruntersteige.

Und einsmals aus dem buschigen Palatin,
Dem trümmerschwarzen, klagt‘ eine Nachtigall
In all‘ die Nacht, in all‘ die Stille,
Klagte vielleicht von der goldnen Vorzeit.

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Gedicht: Der Mond von Wilhelm Waiblinger

Kurze Interpretation des Gedichts

Der Mond von Wilhelm Waiblinger

Gestirn der Trauer, liebliche Schutzgottheit
Gestürzter Tempel, du der Ruinenwelt
Schwermüth’ge Freundin, wie zur Heimath
Hast du erkoren die stille Roma!

Du selbst ja gleichst ihr: wie du dein heilig Licht
Der Sonne dankst, der untergegangenen,
So dankt auch sie die ew’ge Hoheit
Ihrer entflohenen Herrschersonne.

Wo auch herab sich senke dein milder Blick,
Ob auf die öden Mauern, wo einsam sich
Die Straße windet und zuweilen
Epheubewachsene Gräber düstern,

Ob auf Kapellen, schweigende Klöster auch,
Die halb aus vollen Büschen und Gärten sich
Im Schattendach der Pinie heben,
Halb sich im üpp’gen Gewächs verbergen,

Ob in des Tibers schicksalgeweihte Fluth,
Wo sich des Fischers Netz in die Wasser taucht,
Und Brück‘ und Insel und der Besta
Trauernder Tempel der Erd‘ entsteigen;

Stets blickst mit gleicher Liebe dein Rom du an,
Und unaussprechlich finster erhaben ruht’s,
Mit Trümmern und Cypressenhügeln
Dämmernd in Mondlicht und Todtenstille.

So oft in tiefen Schauern durchwandl‘ ich noch
Die hohen Stätten, und die Allee entlang
Lenk‘ ich den Tritt, wo einst der heil’ge
Weg an den Tempeln vorüberführte.

Dann harr‘ ich, bis die Glock‘ auf dem Capitol
Die ernste Stund‘ ankündigt der Mitternacht,
Ein dumpfer Klang und plötzlich wieder
Schweiget die Welt und ihr off’nes Grab hier.

Dir dann, du schmachtend Auge der Nacht, o Mond,
Dir blick‘ ich träumend wieder von neuem zu,
Die Wolken seh‘ ich um dich wandeln,
All‘, wie sie kommen, wie sie verschwinden.

Oft bist du klar, sanft lächelnde Freundin Roms!
Oft aber gleich den Schatten des Schicksals, gleich
Den Völkerstürmen und den Schrecken,
Die einst gewüthet an Roma’s Himmel,

Bedeckt dein Antlitz fliegend Gewölk, und schwarz
Entragt der Siegesbogen des Abgrunds Grau’n,
Und selbst des Donn’rers Säulentempel
Schwindet in Dämm’rung am Capitole.

Und stumm seh‘ ich die mächtigen Treppen an,
Die nun urplötzlich wieder der Vollmond hellt,
Und starre hin, und lausch‘ und horche,
Ob wohl nicht Cäsar heruntersteige.

Und einsmals aus dem buschigen Palatin,
Dem trümmerschwarzen, klagt‘ eine Nachtigall
In all‘ die Nacht, in all‘ die Stille,
Klagte vielleicht von der goldnen Vorzeit.

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