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Wol mich der stunde…

Von

Wol mich der stunde, daz ich si erkande,
diu mir den lîp und den muot hât betwungen,
Sît deich die sinne sô gar an si wande,
der si mich hât mit ir güete verdrungen.
Daz ich gescheiden von ir niht enkan,
daz hât ir schœne und ir güete gemachet,
und ir rôter munt, der sô lieplîchen lachet.

Ich hân den muot und die sinne gewendet
an die reinen, die lieben, die guoten.
Daz müeze uns beiden wol werden volendet,
swes ich getar an ir hulde gemuoten.
Swaz ich noch vreuden zer werlde ie gewan,
daz hât ir schœne und ir güete gemachet,
und ir rôter munt, der sô lieplîchen lachet.

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Gedicht: Wol mich der stunde… von Walther von der Vogelweide

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wol mich der stunde…“ von Walther von der Vogelweide beschreibt die intensive emotionale Erfahrung eines lyrischen Ichs, das sich von der Liebe einer Frau überwältigt fühlt. Die „Stunde“, in der der Sprecher die Frau erkannte, ist der Wendepunkt seines Lebens, in dem er sowohl körperlich als auch geistig von ihr „betwungen“ wurde. Der Ausdruck „diu mir den lîp und den muot hât betwungen“ lässt die transformative Kraft der Begegnung mit dieser Frau erahnen, die sowohl das Herz als auch die Sinne des Sprechers in ihren Bann zieht.

Die Frau wird nicht nur als schön, sondern auch als gütig dargestellt, ihre „Güete“ hat den Sprecher vollkommen eingenommen. Es ist der Moment, in dem er nicht mehr von ihr „gescheiden“ werden kann, was auf eine tiefe, fast schicksalhafte Bindung hinweist. Ihr „rôter munt“, der „so lieplîchen lachet“, wird zu einem Symbol für die Freude und die Zuneigung, die sie in ihm auslöst. Das Bild des roten Mundes vermittelt eine Mischung aus Leidenschaft und Lebensfreude, die der Sprecher mit ihrer Anwesenheit erlebt.

In der zweiten Strophe wird die vollständige Wendung des Sprechers hin zu „den reinen, die lieben, die guoten“ beschrieben. Die Entscheidung, sich auf die Liebe dieser Frau einzulassen, scheint für ihn eine moralische und spirituelle Reinigung zu sein, ein Übergang zu einer höheren Form des Lebens und Liebens. Der Wunsch, dass „uns beiden wol werden volendet“, deutet darauf hin, dass der Sprecher hofft, dass diese Vereinigung sowohl ihm als auch der Frau Erfüllung und Vollkommenheit bringen wird.

Das Gedicht endet mit der Wiederholung des Verses über die Freude und das Glück, das der Sprecher durch die Frau erfährt. Ihre Schönheit und Güte sind die Quellen seiner Freude, die „sô lieplîchen lachet“, was sowohl die Ausstrahlung der Frau als auch die emotionale Wirkung auf den Sprecher betont. Der kreisende Aufbau des Gedichts, das die Wiederholung des zentralen Motivs der Frau als Quelle der Freude und des Glücks nutzt, verstärkt die Idee einer unauflöslichen und idealisierten Liebe. Die Form des Gedichts spiegelt die himmelstrebende Verehrung wider, die der Sprecher für die Frau empfindet, die ihn von seiner bisherigen Welt in eine neue, reinere existenzielle Ebene geführt hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.