Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , ,

Der Glückstag

Von

Ich war am Morgen
so frohen Mutes,
als müsst‘ begegnen
mir etwas Gutes.
Wohlan, es komme
das Glück gegangen!
Bereit hier sitz‘ ich,
es zu empfangen.

Da kam ein Brief,
den die Post mir brachte,
ich brach ihn auf, sah
hinein und lachte.
Logierbesuch will
ins Haus mir kommen:
Sei er mit Jubel
denn aufgenommen!

Drauf kam ein Mann, um
von mir zu borgen,
obwohl ich selbst war
bedrängt von Sorgen.
Dass er auf mich sein
Vertrauen setzte,
rührt‘ mich, ich gab ihm
sorglos das Letzte.

Nun eine Zeitung
nahm in die Hand ich,
darin auf mich was
geschrieben fand ich,
was Böses, Arges.
Wie das mich freute!
Seht, so beachten
mich schon die Leute!

Ich war noch immer
bei frohem Mute,
als müsste kommen
noch andres Gute.
Und mehr des Glückes
noch zu empfangen,
bin aus dem Haus ich
hinausgegangen.

Da überfiel mich
mit Donnerschlägen,
mich unbeschirmten,
ein heft’ger Regen.
Dem Himmel dankt‘ ich,
weil er uns schenkte
ersehntes Nass und
die Saaten tränkte.

Von einem Fenster-
brett fiel ein bunter
Tontopf mit Nelken
auf mich herunter.
Doch meinen Hut nur
hat er zertrümmert,
heil blieb ich selber
und unbekümmert.

Nach Hause eilt‘ ich,
da sah ich jagen
scharf um die Ecke
’nen Schlächterwagen.
Zu Boden riss er
mich freilich nieder,
doch kaum verletzt sprang
empor ich wieder.

Allmählich wurde
der Himmel heller;
nach Hause hinkt‘ ich,
stieg in den Keller,
holt‘ eine Flasche
mit gutem Weine,
wohl mir, ich hatte
just noch die eine!

Zusammen rief ich
darauf die Meinen,
mit mir im Jubel
sich zu vereinen.
Kommt her und trinket,
seid frohen Mutes!
Mir ist begegnet
heut so viel Gutes.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Glückstag von Johannes Trojan

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht Der Glückstag von Johannes Trojan ist eine heitere und zugleich tiefsinnige Parodie auf das menschliche Bedürfnis, dem Leben stets etwas Positives abzugewinnen – selbst dann, wenn die Ereignisse objektiv eher widrig sind. In lockerem Ton und leichtem, volksliedhaftem Rhythmus schildert das lyrische Ich einen Tag voller kleiner Rückschläge und Missgeschicke, die es dennoch durchweg als glückhaft erlebt. Der Text karikiert dabei auf liebevolle Weise eine fast stoische Lebenshaltung, bei der Optimismus nicht durch äußere Umstände, sondern durch eine innere Entscheidung genährt wird.

Das Gedicht ist in einfachen Reimpaaren aufgebaut und wirkt auf den ersten Blick leicht und harmlos. Doch hinter der humorvollen Fassade steckt eine tiefere Botschaft über Gelassenheit, Dankbarkeit und die Kunst, das Leben nicht zu schwer zu nehmen. Der Protagonist wird von allerlei kleinen Katastrophen heimgesucht – ein ungebetener Besuch, finanzielle Überforderung, Verleumdung in der Zeitung, ein Platzregen, ein herabfallender Blumentopf, ein beinahe Unfall mit einem Schlächterwagen – und doch bleibt er unbeirrt fröhlich. Diese Haltung erscheint zugleich rührend und komisch.

Trojan spielt mit der Ironie, dass das lyrische Ich alles Leid und Ungemach als Zeichen besonderen Glücks interpretiert. Diese Verkehrung der Perspektive erreicht ihren Höhepunkt, als selbst ein zertrümmerter Hut und ein Sturz als beinahe heroische Glücksfälle dargestellt werden. Der scheinbare Glückstag ist in Wahrheit eine Abfolge von Pleiten und Pannen – aber durch die Brille des Protagonisten werden sie zu Belegen göttlicher Fügung oder positiver Aufmerksamkeit.

Am Ende wird der letzte Tropfen Wein zur Krönung dieses merkwürdigen Glückstages, und die Familie wird zum Fest geladen – ein Akt der Selbstbehauptung gegen das Unbill des Alltags. So zeigt Trojan in seiner humorvollen Dichtung, dass Glück weniger in äußeren Umständen liegt als in der Fähigkeit, dem Leben mit freundlicher Selbstironie zu begegnen. Das Gedicht ist ein charmantes Plädoyer für Resilienz, Lebensfreude und den Triumph des subjektiven Erlebens über objektive Widrigkeiten.

Möchtest du auch eine Interpretation im Vergleich zu einem ernsteren Gedicht mit ähnlichem Thema?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.