Sommer
Am Abend schweigt die Klage
des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
der rote Mohn.
Schwarzes Gewitter droht
über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
erstirbt im Feld.
Nimmer regt sich das Laub
der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
rauscht ein Kleid.
Stille leuchtet die Kerze
im dunklen Zimmer;
eine silberne Hand
löschte sie aus;
windstille, sternlose Nacht.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Sommer“ von Georg Trakl beschreibt auf eindrucksvolle Weise eine Atmosphäre der Ruhe und des drohenden Verfalls, die den Übergang vom Leben zu einer erdrückenden Stille und Dunkelheit markiert. Die erste Strophe beginnt mit der „Klage des Kuckucks“, die im Abend verstummt. Der Kuckuck, als Symbol für den Frühling und das Leben, verstummt hier und lässt eine Stille zurück. Das Bild des „neigenden Kornes“ und des „roten Mohns“ stellt die Reife des Sommers dar, doch gleichzeitig deutet der Mohn mit seiner roten Farbe auf die Präsenz des Todes und des Verfalls hin. Diese Symbole verbinden das Bild des Lebens mit dem des Endes, was eine subtile Melancholie in die Szene bringt.
In der zweiten Strophe kündigt sich ein „schwarzes Gewitter“ an, das über dem Hügel droht – ein weiteres Bild für die Unheil bringende Dunkelheit. Das „alte Lied der Grille“, das im Feld „erstirbt“, verweist auf das Ende der sommerlichen Lebendigkeit und die bevorstehende Stille. Die Grille, die für die Lebendigkeit des Sommers steht, verstummt, was den Übergang von einem aktiven, lebendigen Zustand zu einem passiven und stillen Zustand markiert. Die Natur gerät hier in einen Zustand des Rückzugs und des Verfalls.
In der dritten Strophe wird die „Kastanie“ beschrieben, deren „Laub“ sich nicht mehr regt. Diese Beschreibung von Bewegungslosigkeit und Stillstand vertieft die Stille, die sich in der Landschaft ausbreitet. Es folgt das Bild der „Wendeltreppe“, an der „ein Kleid rauscht“. Diese Wendeltreppe könnte ein Symbol für den Lebensweg und den Übergang sein, während das „rauschende Kleid“ eine Figur beschreibt, die sich durch diese Übergänge bewegt. Das Bild ist von einer unbestimmten Bedeutung, vermittelt jedoch eine fließende Bewegung, die von der Stille und dem Stillstand der Natur kontrastiert wird.
Die letzte Strophe stellt eine noch tiefere Stille dar. Die „Kerze“ leuchtet „im dunklen Zimmer“, was die einzige Quelle des Lichts in dieser düsteren Umgebung darstellt. Doch „eine silberne Hand“ löscht die Kerze aus, was das endgültige Erlöschen des Lebens und des Lichts symbolisiert. Die „windstille, sternlose Nacht“ verstärkt das Bild der endgültigen Dunkelheit und der totalen Stille, in der nichts mehr lebt oder sich bewegt. Diese Nacht könnte als Metapher für den Tod oder das völlige Verschwinden von Leben und Licht verstanden werden.
Trakl schafft in diesem Gedicht eine Atmosphäre des Verfalls, der Stille und der Dunkelheit, die mit dem Ende des Sommers und dem Übergang in die Nacht assoziiert wird. Durch die wiederkehrenden Bilder von Bewegungslosigkeit und dem Erlöschen von Leben und Licht erzeugt er eine Melancholie und eine fast apokalyptische Stimmung, die den unaufhaltsamen Verlauf des Lebens und des Todes symbolisieren. Das Gedicht dringt tief in das Thema der Vergänglichkeit ein und zeigt die Stille als den letzten, endgültigen Zustand.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.