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Kleines Konzert

Von

Ein Rot, das traumhaft dich erschüttert –
Durch deine Hände scheint die Sonne.
Du fühlst dein Herz verrückt vor Wonne
Sich still zu einer Tat bereiten.

In Mittag strömen gelbe Felder.
Kaum hörst du noch der Grillen Singen,
Der Mäher hartes Sensenschwingen.
Einfältig schweigen goldene Wälder.

Im grünen Tempel glüht Verwesung.
Die Fische stehen still. Gottes Odem
Weckt sacht ein Saitenspiel im Brodem.
Aussätzigen winkt die Flut Genesung.

Geist Dädals schwebt in blauen Schatten,
Ein Duft von Milch in Haselzweigen.
Man hört noch lang den Lehrer geigen,
Im leeren Hof den Schrei der Ratten.

Im Krug an scheußlichen Tapeten
Blühn kühlere Violenfarben.
Im Hader dunkle Stimmen starben,
Narziß im Endakkord von Flöten.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Kleines Konzert von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kleines Konzert“ von Georg Trakl entfaltet eine Reihe von surrealen, fast halluzinatorischen Bildern, die eine Verbindung zwischen Natur, Musik und Verfall herstellen. Zu Beginn beschreibt der Sprecher ein „Rot“, das „traumhaft“ erschüttert und durch „deine Hände“ die Sonne scheinen lässt. Dieses Bild von Licht und Farbe steht im Zeichen eines intensiven, fast ekstatischen Erlebens. Das Herz „verrückt vor Wonne“ bereitet sich „still zu einer Tat“ – eine interessante Verbindung von Freude und Tatkraft, die im Einklang mit der Natur und den äußeren Eindrücken zu stehen scheint. Das „Rot“ kann hier als Symbol für Leidenschaft und kreative Energie verstanden werden, die den Sprecher erfasst.

In der zweiten Strophe wird die Natur mit den „gelben Feldern“ und dem Singen der Grillen beschrieben, doch diese alltäglichen Geräusche verlieren zunehmend ihre Präsenz. Das „harte Sensenschwingen“ des Mähers und das „Schweigen“ der „goldenen Wälder“ verstärken das Bild der Verflachung und des Verblassens. Die goldenen Wälder, einst ein Bild für Schönheit und Fruchtbarkeit, erscheinen nun als stumme Zeugen der Vergänglichkeit. In dieser Stille und Verdunkelung kann man die Natur nicht mehr vollständig erleben; sie ist dabei, ihre Lebendigkeit zu verlieren.

Die dritte Strophe führt den „grünen Tempel“ ein, in dem „Verwesung“ glüht. Hier steht die Natur nicht mehr für Reinheit und Leben, sondern für den Prozess des Verfalls und der Zersetzung. Die „stillstehenden Fische“ und das „Saitenspiel im Brodem“ verstärken den Eindruck einer stagnierenden, verharrenden Welt. Das Bild der „Aussätzigen“, denen die Flut Genesung winkt, ist eine dunkle Vision von Erlösung und Zerstörung, die im gleichen Moment greifbar wird. Diese Flut könnte sowohl ein Ende als auch eine Reinigung darstellen, was die zwiespältige Natur der Veränderung verdeutlicht.

In der vierten Strophe wird der „Geist Dädals“ eingeführt, der in „blauen Schatten“ schwebt. Dädalos, der in der griechischen Mythologie für seine Kunstfertigkeit und das Labyrinth bekannt ist, wird hier als eine Figur des Wissens und der künstlerischen Schöpfung dargestellt. Der „Duft von Milch in Haselzweigen“ und das Geigen des Lehrers, das in der Stille nachhallt, evoziert eine Bildwelt von Kunst, Weisheit und einem Hauch von Vergänglichkeit. Das Bild des „leeren Hofes“ und der „Schrei der Ratten“ setzt einen düsteren, beinahe apokalyptischen Akzent, der die tiefe Entfremdung und den Zerfall der harmonischen Natur widerspiegelt.

Die abschließende Strophe kehrt zu einem weiteren Bild des Verfalls zurück: „Im Krug an scheußlichen Tapeten“ blühen „kühlere Violenfarben“. Die „kühlere“ Natur der Blumen steht im Gegensatz zu den vorherigen, lebendigen Darstellungen der Natur, was den Verlust von Wärme und Leben anzeigt. Die „dunklen Stimmen“ im „Hader“ sind die letzten Reste von Konflikten und Verlusten, die in der Dunkelheit verschwinden. Das „Endakkord von Flöten“, der den „Narziß“ beschreibt, verweist auf eine Selbstbesessenheit und ein Ende, das sich in einer letzten, tief melancholischen Harmonie ausdrückt.

Trakls Gedicht verbindet eine Vielzahl von widersprüchlichen Bildern, die zwischen Schönheit und Verfall, Leben und Tod oszillieren. Die Natur wird nicht nur als lebendig, sondern auch als ein Ort des Verfalls und der Transformation dargestellt, in dem die Harmonie durch die dunklen Kräfte von Zerstörung und Vergänglichkeit durchbrochen wird. Die Musik, die im Gedicht immer wieder auftaucht, dient als Symbol für den Versuch, Ordnung und Schönheit in einer Welt zu schaffen, die vom Verfall durchzogen ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.