Am Moor
Wanderer im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.
Aufruhr. In verfallener Hütte
Aufflattert mit schwarzen Flügeln die Fäulnis;
Verkrüppelte Birken seufzen im Wind.
Abend in verlassener Schenke. Den Heimweg umwittert
Die sanfte Schwermut grasender Herden,
Erscheinung der Nacht: Kröten tauchen aus silbernen Wassern.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Am Moor“ von Georg Trakl beschreibt eine düstere, mystische Landschaft, in der Natur und menschliche Existenz in einem Zustand des Verfalls und der Vergänglichkeit miteinander verbunden sind. Zu Beginn führt der „Wanderer im schwarzen Wind“ durch das Moor, wobei das „dürre Rohr“ leise flüstert und die Atmosphäre von Stille und Einsamkeit durchzogen ist. Der „graue Himmel“ und der Zug „wilder Vögel“ erzeugen ein Bild der Unruhe und der Endlichkeit, während der Wanderer über „finstere Wasser“ schreitet, die eine düstere, fast bedrohliche Tiefe symbolisieren. Das Moor wird so zu einem Ort des Übergangs, der Ruhe und des Unheils zugleich.
In der zweiten Strophe wird die „verfallene Hütte“ zum zentralen Bild des Zerfalls. Die „Fäulnis“ fliegt mit schwarzen Flügeln auf und verdeutlicht die allumfassende Verderbnis, die die Landschaft beherrscht. Die „verkrüppelten Birken“, die im Wind „seufzen“, wirken wie ein Mahnmal für das Leben, das in dieser Welt von Krankheit und Zerstörung gezeichnet ist. Trakl setzt diese Bilder ein, um eine Atmosphäre der Melancholie und des Verfalls zu schaffen, in der die Natur nicht nur als ein Ort der Schönheit, sondern auch als ein Ort des Schmerzes und des Leidens erscheint.
Die dritte Strophe verlagert sich auf den „Abend in der verlassenen Schenke“, der eine Szene von Einsamkeit und Verlassenheit beschreibt. Die „sanfte Schwermut“ der „grasenden Herden“ bringt eine leise Traurigkeit mit sich, die sich in die Erscheinung der Nacht hineinzieht. Die „Kröten“, die aus „silbernen Wassern“ auftauchen, symbolisieren die Dunkelheit und das Unheimliche, das in der Nacht zum Leben erwacht. Sie stehen für das Mysteriöse und die tieferen, dunkleren Aspekte des Lebens, die oft im Verborgenen bleiben.
Das Gedicht vermittelt eine Atmosphäre der Entfremdung und des Verfalls, in der die Natur selbst als Spiegelbild der menschlichen Verlorenheit erscheint. Trakl verwendet die Bilder des Moors, der Fäulnis und der verfallenen Hütte, um die Themen der Vergänglichkeit, der Einsamkeit und der Schwermut zu verstärken. Die Natur ist nicht nur Kulisse, sondern aktiv an der Darstellung der düsteren Stimmung beteiligt. Das Gedicht lädt dazu ein, über die Bedeutung von Tod, Vergänglichkeit und den Übergang von Tag zu Nacht nachzudenken.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.