Marschlied
Wir Wand’rer zum Tode,
Der Erdnot geweiht,
Wir kranzlose Opfer,
Zu letzten bereit.
Wir fern aller Freude
Und fremd aller Qual.
Wir Blütenverwehte
Im nächtlichen Tal.
Wir Preis einer Mutter,
Die nie sich erfüllt,
Wir wunschlose Kinder,
Von Schmerzen gestillt.
Wir Tränen der Frauen,
Wir lichtlose Nacht,
Wir Weisen der Erde
Ziehn stumm in die Schlacht.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Marschlied“ von Ernst Toller vermittelt die düstere und verzweifelte Stimmung von Menschen, die sich auf einen unaufhaltsamen Weg in den Tod begeben, wobei der Marsch in den Tod gleichzeitig auch eine Metapher für das kollektive Leiden und die Ausweglosigkeit einer Generation sein kann. Zu Beginn des Gedichts beschreibt der Sprecher sich und seine Gefährten als „Wand’rer zum Tode“, die „der Erdnot geweiht“ sind – dies deutet auf eine unvermeidliche, von Armut und Not geprägte Reise hin. Die „kranzlosen Opfer“ und die Bereitschaft, „zu letzten“ zu gehen, unterstreichen das Bild der Entbehrung und der Hingabe, ohne Hoffnung auf Ehrung oder eine friedliche Zukunft.
In der zweiten Strophe wird die Entfremdung der Sprecher weiter verdeutlicht: Sie sind „fern aller Freude“ und „fremd aller Qual“. Sie scheinen in einem Zustand der Leere zu existieren, zwischen den Extremen der Freude und des Leidens gefangen. Die „Blütenverwehten“ im „nächtlichen Tal“ sind eine kraftvolle Metapher für das Verblasste und Verfallene, für eine unvollständige oder unerfüllte Existenz. Es fehlt etwas in ihrem Leben – keine Freude und keine Erlösung. Das „nächtliche Tal“ verweist auf die Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit des Weges, den sie gehen.
Die dritte Strophe ist von einer tiefen Trauer und Enttäuschung geprägt. Die „Preis einer Mutter, die nie sich erfüllt“, symbolisieren unerfüllte Hoffnungen, Träume und vielleicht auch die Enttäuschung der Generation, die der Kriegsmaschinerie geopfert wird. Sie sind „wunschlose Kinder“, die nur noch von den „Schmerzen gestillt“ werden – eine tiefe, existenzielle Müdigkeit und Resignation. Es scheint, als ob alle Wünsche und Hoffnungen zerstört wurden und die einzige Erfahrung, die sie noch kennen, der Schmerz ist.
Die vierte Strophe verstärkt die düstere Vision weiter: Die Sprecher sind die „Tränen der Frauen“, was auf das Leid und die Opfer derjenigen verweist, die durch Krieg und Not betroffen sind. Sie ziehen in die Schlacht, aber es ist eine „lichtlose Nacht“, was die vollständige Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit ihres Unternehmens beschreibt. Sie sind „Weisen der Erde“, die „stumm in die Schlacht“ ziehen, was die Verlorenheit und die Ohnmacht derjenigen widerspiegelt, die in den Krieg geschickt werden, ohne den Sinn oder das Ziel ihrer Opfer zu verstehen.
Tollers „Marschlied“ zeichnet ein Bild des Widerstands gegen das Leben selbst – ein Leben, das durch Krieg und Leid entstellt und entmenschlicht wurde. Die Sprecher sind Opfer einer Welt, die ihre Hoffnungen nicht erfüllt und sie zu einem scheinbar sinnlosen Ende führt. Das Gedicht vermittelt eine tiefe Verzweiflung und eine kritische Haltung gegenüber der Gewalt, die von den Herrschenden ausgeht, und den Menschen, die diesem Leid ohne Widerstand ausgeliefert sind.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.