Zwist
Gallen foltern bäumen lösen
Knirschen zürnen meiden Haß
Zittern stampfen schäumen grämen
Suchen beben forschen bang
Wenden zagen schauen langen
Stehen rühren seufzen gehn
Streicheln klagen
Kosen schelten
Schämen schmäht
Und
Fliehen wirbt
Schmiegen wehret
Armen sträubet
Quälen küßt
Vergessen
Lacht!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Zwist“ von August Stramm ist eine ausdrucksstarke, beinahe chaotische Darstellung von Konflikten und widersprüchlichen Gefühlen. Durch die Verwendung von Verben, die starke Emotionen und körperliche Reaktionen beschreiben, wird eine Atmosphäre intensiver, unkontrollierbarer Spannung erzeugt. Die ersten Zeilen, „Gallen foltern, bäumen lösen / Knirschen zürnen meiden Haß“, vermitteln ein Bild von inneren und äußeren Qualen. „Gallen“ und „foltern“ stehen für schmerzvolle, intensive Empfindungen, die fast körperlich erlebt werden, während das „Knirschen“ und „Zürnen“ auf den Widerstand und die Frustration hinweisen, die sich in einer konfliktbeladenen Situation manifestieren.
In den darauffolgenden Zeilen steigern sich diese Emotionen weiter: „Zittern stampfen schäumen grämen / Suchen beben forschen bang.“ Das Zittern und Stampfen, das mit Unsicherheit und Angst verbunden ist, verstärken das Bild eines inneren Aufruhrs. Die wiederholte Verwendung von Verben wie „suchen“, „beben“, „forschen“ und „bang“ verdeutlicht die rastlose und verzweifelte Suche nach einem Ausweg oder einer Lösung, während gleichzeitig die Angst und Ungewissheit betont wird. Es ist eine Darstellung der Verwirrung, in der sich die Beteiligten befinden.
Die weiteren Zeilen „Wenden zagen schauen langen / Stehen rühren seufzen gehn“ zeigen die Unentschlossenheit und den inneren Konflikt der Beteiligten. Die ständigen Wechsel der Handlung (wenden, zagen, schauen, stehen) spiegeln die Zerrissenheit und die Unfähigkeit wider, klare Entscheidungen zu treffen. Diese Passivität und die Müdigkeit des ständigen Zögerns werden durch „seufzen“ und „gehen“ weiter verstärkt, was das Gefühl der Erschöpfung und der Lähmung unterstreicht. Doch auch in dieser Lethargie gibt es einen ständigen Wechsel zwischen Handlungen und Reaktionen: „Streicheln klagen / Kosen schelten“ – Zärtlichkeit und Aggression, Nähe und Ablehnung prallen aufeinander.
Die letzten Zeilen – „Schämen schmäht / Und / Fliehen wirbt / Schmiegen wehret / Armen sträubet / Quälen küßt / Vergessen / Lacht!“ – führen die Spannung weiter, indem sie die Extreme menschlicher Emotionen aufzeigen. Die Worte „Schämen“ und „schmäht“ verdeutlichen ein inneres Dilemma, in dem sich Scham mit der aggressiven Abwehrhaltung verbindet. Das „Fliehen“ und das „Schmiegen“ sind ebenfalls gegensätzliche Handlungen, die das Hin- und Hergerissensein zwischen Nähe und Distanz, zwischen Flucht und Verweigerung darstellen. „Quälen“ und „küßt“ verstärken diese Zerrissenheit, indem sie die körperliche und emotionale Ambivalenz in Beziehungen aufzeigen. Der abschließende „Lacht“ zeigt schließlich eine Art von kathartischem Abschluss oder das Aufeinandertreffen von Verzweiflung und einem fast unverständlichen Humor, der den gesamten Konflikt in einem letzten, befreienden Moment auflöst.
Insgesamt zeichnet das Gedicht ein intensives Bild von Konflikten, die sowohl äußerlich als auch innerlich erlebt werden. Es beschreibt einen inneren Zwist, in dem widersprüchliche Gefühle – Zorn, Zärtlichkeit, Sehnsucht, Scham, Angst, Liebe – ständig miteinander ringen. Stramm nutzt eine nahezu explosive Sprache, um die Turbulenzen menschlicher Erfahrungen und das ständige Wechselspiel zwischen verschiedenen Emotionen darzustellen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.