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Urtod

Von

Raum
Zeit
Raum
Wegen
Regen
Richten
Raum
Zeit
Raum
Dehnen
Einen
Mehren
Raum
Zeit
Raum
Kehren
Wehren
Recken
Raum
Zeit
Raum
Ringen
Werfen
Würgen
Raum
Zeit
Raum
Fallen
Sinken
Stürzen
Raum
Zeit
Raum
Wirbeln
Raum
Zeit
Raum
Wirren
Raum
Zeit
Raum
Flirren
Raum
Zeit
Raum
Irren
Nichts.

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Gedicht: Urtod von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Urtod“ von August Stramm entfaltet in radikal verdichteter Sprache eine kosmische Vision des Todes jenseits individueller Erfahrung. Es arbeitet mit einer extrem reduzierten Syntax, fast ausschließlich aus Substantiven und Verben bestehend, und wiederholt in strenger Struktur die Worte „Raum / Zeit / Raum“. Diese formale Strenge erzeugt eine ritualhafte, fast meditative Wirkung und lenkt den Blick auf eine existenzielle Grunderfahrung: das Ringen mit dem Sein an der Grenze zum Nichts.

Die ständige Wiederholung von „Raum / Zeit / Raum“ wirkt wie ein Schlag oder Puls – sie strukturiert das Gedicht und verweist auf fundamentale Dimensionen menschlicher Existenz. Raum und Zeit bilden dabei nicht nur das Koordinatensystem des Lebens, sondern auch des Sterbens. Durch die variierenden Verben dazwischen – „Regen“, „Richten“, „Ringen“, „Stürzen“, „Irren“ – wird ein Prozess der Ausdehnung, der Bewegung, des Kampfes und schließlich des Zerfalls beschrieben. Es handelt sich um eine Art metaphysische Evolution, die in Abgründe führt.

Die dynamischen Verben erzeugen eine dramatische Spannweite: von zielgerichteten Handlungen („Richten“, „Mehren“) über körperlichen Widerstand („Werfen“, „Würgen“) bis hin zum Kontrollverlust („Fallen“, „Wirbeln“, „Irren“). Dabei steigert sich das Geschehen immer weiter ins Chaotische, Nebulöse – bis das finale Wort „Nichts“ wie ein Abbruch, eine Auslöschung wirkt. Dieser Schlusspunkt ist zugleich inhaltlicher Endpunkt und formaler Zusammenbruch der vorhergehenden Struktur.

„Urtod“ verweigert jedem lyrischen Ich eine Stimme und lässt keine Emotionen zu. Der Tod erscheint hier nicht als persönliches Drama, sondern als kosmisches Grundgesetz, das alle Bewegung in ein namenloses Nichts überführt. Stramm gelingt es, mit minimalem sprachlichem Material eine maximale existentielle Tiefe zu erzeugen. Das Gedicht ist ein Beispiel für expressionistische Radikalität, in der Sprache selbst zum Ort metaphysischer Erfahrung wird.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.