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Krieg

Von

Wehe wühlt
Harren starrt entsetzt
Kreißen schüttert
Bären spannt die Glieder
Die Stunde blutet
Frage hebt das Auge
Die Zeit gebärt
Erschöpfung
Jüngt
Der
Tod.

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Gedicht: Krieg von August Stramm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Krieg“ von August Stramm komprimiert das Grauen und die existenzielle Erschütterung des Krieges in nur wenigen, aber intensiven Zeilen. Mit einer stark verdichteten, fast telegraphischen Sprache erschafft Stramm ein poetisches Fragment, das das Erleben von Gewalt, Angst und Tod in unmittelbarer Weise darstellt. Die Sprache ist karg, aber aufgeladen – jedes Wort trägt Gewicht.

Bereits der erste Vers, „Wehe wühlt“, setzt den Ton: Schmerz ist nicht nur passiv vorhanden, sondern aktiv – er „wühlt“, greift ein, durchdringt. Im zweiten Vers („Harren starrt entsetzt“) kippt das Warten in lähmenden Schrecken; es ist keine Erwartung mehr, sondern eine Erstarrung vor dem Unfassbaren. Der Schrecken nimmt eine körperliche Dimension an – auch das „Kreißen“ (ursprünglich der Geburtsvorgang) wird hier zur Erschütterung, ein Vorgang von Leid statt von Hoffnung.

Die körperlichen Bilder setzen sich fort: „Bären spannt die Glieder“ evoziert mit dem Tierbild rohe Kraft, Bedrohung, aber auch Zwang – die Glieder werden gespannt, vielleicht im letzten Widerstand oder im Todeskampf. Besonders eindrücklich ist die Zeile „Die Stunde blutet“: Zeit selbst wird hier zur verletzten, leidenden Größe, das Fortschreiten der Zeit ist nicht neutral, sondern schmerzhaft.

Mit „Frage hebt das Auge“ erscheint ein Moment des Innehaltens, des Infragestellens – doch es bleibt unbeantwortet. Die „Zeit gebärt / Erschöpfung“ zeigt, dass das Ergebnis des Krieges nicht Fortschritt, nicht Erkenntnis ist, sondern Müdigkeit, Auszehrung, ein Erschlaffen des Lebenswillens. Und der letzte Vers ist lapidar und endgültig: „Jüngt / Der / Tod.“ Der Tod ist hier nicht nur Schluss, sondern auch Ergebnis – er „jüngt“, bringt also selbst „Nachwuchs“ hervor, wird zur Produktivität einer pervertierten, kriegerischen Schöpfung.

Stramms „Krieg“ ist ein sprachlicher Schockmoment. Mit wenigen Worten evoziert er die ganze Absurdität und Brutalität des modernen Krieges. Das Gedicht ist nicht Bericht, nicht Analyse – es ist unmittelbares Erleben in Sprache gegossen, fragmentiert wie das Bewusstsein im Angesicht der Gewalt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.