Frostfeuer
Die Zehen sterben
Atem schmilzt zu Blei
In den Fingern sielen heiße Nadeln.
Der Rücken schneckt
Die Ohren summen Tee
Das Feuer
Klotzt
Und
Hoch vom Himmel
Schlürft
Dein kochig Herz
Verschrumplig
Knistrig
Wohlig
Sieden Schlaf.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Frostfeuer“ von August Stramm kontrastiert auf eindrucksvolle Weise extreme Gegensätze – Kälte und Wärme, Leben und Tod – und erschafft so eine komplexe, fast surreale Atmosphäre. Der erste Vers, „Die Zehen sterben / Atem schmilzt zu Blei“, beginnt mit einer Darstellung von Kälte und erstarrendem Leben. Die „sterbenden Zehen“ und der „Atem, der zu Blei schmilzt“, erzeugen das Bild von körperlicher Erstarrung, das durch das Bild des „Bleis“ verstärkt wird – ein Material, das mit Schwere und Unbeweglichkeit verbunden ist. Dies könnte auf eine körperliche oder emotionale Blockade hinweisen, die den Sprecher in einen Zustand der Verzweiflung oder der Entfremdung versetzt.
Im nächsten Abschnitt, „In den Fingern sielen heiße Nadeln“, wird der Körper plötzlich mit einer intensiven, schmerzhaften Hitze konfrontiert. Das Bild der „heißen Nadeln“, die in den Fingern „sielen“, vermittelt ein Gefühl von quälendem, durchdringendem Schmerz. Die Nadelstiche können als Symbol für die Zerrissenheit zwischen extremer Kälte und plötzlicher, aufkommender Wärme gedeutet werden. Diese Kontraste zwischen Schmerzen und Empfindungen – von der Kälte zu der aufkommenden Hitze – verstärken das Unbehagen und die Ungewissheit des Körpers.
Der Vers „Der Rücken schneckt / Die Ohren summen Tee“ setzt diese Kontraste fort, wobei „schnecken“ eine Art Verlangsamung oder Erstarrung des Körpers ausdrückt, während die „summenden Ohren“ einen Zustand der Verwirrung oder Benommenheit symbolisieren, als ob der Körper durch diese widersprüchlichen Empfindungen in einen Zustand der Lähmung versetzt wird. Das „Tee“-Summen scheint eine surreale, beinahe vertraute Sensation zu sein, die dennoch seltsam fehl am Platz erscheint und damit die innere Zerrissenheit verstärkt.
Der letzte Abschnitt „Das Feuer / Klotzt / Und / Hoch vom Himmel / Schlürft / Dein kochig Herz / Verschrumplig / Knistrig / Wohlig / Sieden Schlaf“ bringt eine mystische, fast apokalyptische Wendung. Das Feuer, das anfangs mit einer Bedrohung und einem quälenden Zustand assoziiert wird, scheint nun eine heilende oder schützende Wirkung zu haben. Das „kochig Herz“ könnte auf eine innere Leidenschaft oder Intensität hinweisen, die sowohl „verschrumplig“ als auch „wohlig“ ist, was den Schmerz und das Wohlgefühl gleichzeitig vereint. Die Worte „Knistrig“ und „Sieden Schlaf“ verstärken die Vorstellung von einem Zustand zwischen Bewusstsein und Traum, als ob der Sprecher in einem Zustand von wachsendem Schlaf und intensivem inneren Erleben übergeht. Die Zerrissenheit zwischen „Frost“ und „Feuer“, zwischen Leben und Tod, lässt den Leser in eine Welt voller widersprüchlicher, intensiver Empfindungen eintauchen, die das Gefühl von Schmerz und Erlösung miteinander vereinen.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.