Erhört
Das Hauchen weht
Und
Wirft die Widerstände
Das Wehen bebt
Und
Schüttelt Halt zu Boden
Das Hauchen braust
Und
Wirrt die wühle Tiefe
Das Brausen schwirrt
Und
Schluchzt das Herzblut auf.
Das Hauchen stürmt
Und
Reißt die Zeit in Ewig
Das Stürmen stürzt
Und
Wirbelt in das Nichtsein!
Du
Haucht
Das
Du!
Und
Hauchen Hauchen
Hauchen
Stürmet
Du!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Erhört“ von August Stramm ist ein intensives expressionistisches Sprachbild, das sich dem Erleben einer ekstatischen Verschmelzung oder Offenbarung nähert. In einer rhythmisch aufgeladenen Struktur steigert sich das Gedicht von zarten Bewegungen bis zu einem stürmischen, fast kosmischen Höhepunkt. Dabei geht es nicht um konkrete Handlungen, sondern um Zustände, Empfindungen und existentielle Übergänge, die sprachlich verdichtet dargestellt werden.
Zentrale Motive sind Bewegung, Auflösung und Transformation. Begriffe wie „Hauchen“, „Wehen“, „Brausen“, „Stürmen“ stehen für eine unsichtbare, aber elementare Kraft, die Grenzen sprengt: „Wirft die Widerstände“, „Schüttelt Halt zu Boden“, „Reißt die Zeit in Ewig“. Diese Formulierungen deuten auf eine Auflösung von festen Strukturen hin – sowohl im Außen wie im Inneren des lyrischen Ichs. Die Sprache entwickelt dabei eine suggestive Musikalität, die den Inhalt emotional verstärkt.
Besonders auffällig ist die dynamische Steigerung im Verlauf des Gedichts. Aus dem leisen „Hauchen“ wird ein „Brausen“, ein „Stürmen“, das schließlich „in das Nichtsein“ wirbelt. Dieser Übergang in ein metaphysisches oder transzendentes Stadium – das „Nichtsein“ – wirkt dabei nicht als Zerstörung, sondern als endgültige Erfüllung, wie es auch der Titel „Erhört“ nahelegt. Hier wird vielleicht eine spirituelle Vereinigung oder das Einswerden mit einer göttlichen oder geliebten Instanz beschrieben.
Die letzte Strophe kulminiert in einer fast mystischen Anrufung: „Du / Haucht / Das / Du!“ Das „Du“ wird zum schöpferischen Prinzip, das durch „Hauchen“ wirkt – ein Begriff, der an Atem, Leben und Geist erinnert. Die Wiederholung von „Hauchen“ und der imperative Schluss „Stürmet / Du!“ legen nahe, dass das „Du“ nicht nur Ziel, sondern zugleich Ursprung dieser Bewegung ist.
„Erhört“ ist ein Gedicht über das Ergriffenwerden, das Sich-Verlieren in einem alles durchdringenden Moment. August Stramm schafft eine verdichtete lyrische Form, die nicht erklärt, sondern fühlbar macht – eine Erfahrung jenseits von Sprache und Logik, ausgedrückt in rhythmischer, eruptiver Sprachgewalt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.