Form ist Wollust
Form und Riegel mußten erst zerspringen,
Welt durch aufgeschlossne Röhren dringen:
Form ist Wollust, Friede, himmlisches Genügen,
Doch mich reißt es, Ackerschollen umzupflügen.
Form will mich verschnüren und verengen,
Doch ich will mein Sein in alle Weiten drängen –
Form ist klare Härte ohn‘ Erbarmen,
Doch mich treibt es zu den Dumpfen, zu den Armen,
Und in grenzenlosem Michverschenken
Will mich Leben mit Erfüllung tränken.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Form ist Wollust“ von Ernst Stadler thematisiert den Konflikt zwischen Ordnung und Freiheit, zwischen Struktur und dem Drang nach ungebändigtem Leben. Der Sprecher stellt „Form“ als eine Art Fessel dar, die ihn in enge Grenzen setzt. Diese „Form“ wird als „Wollust, Friede, himmlisches Genügen“ beschrieben, was zunächst den positiven Aspekt von Struktur und Harmonie betont. Doch der Sprecher erkennt in dieser Form auch eine Beschränkung, die ihn in ihrem festen Rahmen gefangen hält.
Der Wunsch des Sprechers, sich von dieser Begrenzung zu befreien, zeigt sich in seiner Sehnsucht, das „Sein in alle Weiten zu drängen“. Dies wird durch die Metapher des „Ackerschollen umzupflügens“ verstärkt, was den Drang nach Veränderung und Freiheit symbolisiert. Er will sich nicht durch Form binden lassen, sondern strebt danach, sich in unendliche Weiten auszudehnen und das Leben in seiner ganzen Fülle zu erfahren.
Der Kontrast zwischen „klarer Härte“ der Form und dem Drang des Sprechers, zu den „Dumpfen“ und „Armen“ zu gehen, verdeutlicht die Zerrissenheit zwischen gesellschaftlichen Normen und der persönlichen Sehnsucht nach echter, ungefilterter Existenz. Der Ausdruck „dumpf“ und „arm“ könnte darauf hinweisen, dass der Sprecher sich zu den einfachen, ungestalteten Aspekten des Lebens hingezogen fühlt – zu einem Leben, das nicht durch Form oder Konventionen eingeschränkt ist.
Das Gedicht endet mit der Vorstellung, sich in einem „grenzenlosen Michverschenken“ zu verlieren, was den Wunsch nach Hingabe und Erfüllung symbolisiert. Der Sprecher strebt danach, im Leben zu versinken und sich vollends in ihm aufzulösen, um wahre Erfüllung zu finden. Dieses Streben nach völliger Erfüllung und Selbstaufgabe zeigt die existenzielle Auseinandersetzung des Sprechers mit den Grenzen und der Freiheit des Lebens.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.