Regen
Regen tönen Tropfen triefen
Triefen Pfützen Bäche Brunnen
Spritzen Wasser sprengen Fluten
Klatschen feuchten Wirbel fallen
Wirbel Wasser Wolken Häuser
Fallen Bäume fallen Brücken
Wirbel Wasser Wolken Massen
Baden Erde fallen Tropfen
Regen
Regen
Tropfen
Tropfen
Regen
Regen
Tropfen tropft Tropfen auf Tropfen zu Tropfen
Silber mit silbernem Klopfen zu Klopfen
Spiegel des Wassers zerbrechen zu Tropfen
Kreise durch Kreise zerkreisen zu Tropfen
Blätter durch Kreise zerkreisen zu Tropfen
Blätter erzittern erwarten die Tropfen
Licht zu erglänzen durch klopfende Tropfen
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Regen“ von Kurt Schwitters ist ein intensives, beinahe musikalisches Experiment mit Sprache, das die Natur eines Regens in seiner Vielschichtigkeit und Bewegung einfängt. Durch die kontinuierliche Wiederholung und die akustischen Bilder, die Schwitters erschafft, wird der Regen nicht nur als physisches Phänomen dargestellt, sondern als eine lebendige, sich ständig verändernde Kraft, die alles durchdringt und verwandelt.
Die erste Hälfte des Gedichts beschreibt in rascher Folge die verschiedenen Stadien und Aspekte des Regens: „Regen tönen Tropfen triefen“, „Pfützen Bäche Brunnen“, „Fluten spritzen“ und „Klatschen feuchten Wirbel“. Diese Liste von Eindrücken erzeugt ein Bild der Dynamik und der unaufhörlichen Bewegung des Regens, der in verschiedenen Formen und durch verschiedene Prozesse das Bild der Natur verändert. Die Geschwindigkeit und Energie, mit der die Worte in kurzen, fast fragmentarischen Sätzen aneinanderreihen, simuliert den Regen als ein fortlaufendes, unaufhaltsames Ereignis, das in der Welt einwirkt und die Dinge verändert.
Mit der Wiederholung von „Regen“ und „Tropfen“ in den nächsten Strophen, die beinahe wie ein hypnotischer Refrain wirken, verstärkt Schwitters die ständige Präsenz und das Fließen des Wassers. Das wiederholte „Tropfen tropft Tropfen auf Tropfen zu Tropfen“ erzeugt eine rhythmische Struktur, die den Regen als kontinuierlichen Prozess darstellt – Tropfen, die aufeinander treffen, sich vereinigen und fortwährend miteinander verschmelzen. Diese Klangbilder und die visuelle Vorstellung von Tropfen, die in einander übergehen, verstärken die Verbindung zwischen der Natur des Regens und den Kreisläufen der Natur.
Der Wechsel zu „Silber mit silbernem Klopfen zu Klopfen“ und „Spiegel des Wassers zerbrechen zu Tropfen“ nimmt den Regen von seiner physischen Präsenz und verwandelt ihn in ein ästhetisches und fast mystisches Element. Die Tropfen, die sich in „Spiegeln“ und „Kreisen“ verwandeln, deuten darauf hin, dass der Regen nicht nur eine materielle, sondern auch eine symbolische Dimension besitzt – er wird zu einem Spiegel der Natur und der Seele. Durch die Verbindung von Wasser, Licht und Kreisen entsteht die Vorstellung eines unendlichen, sich wiederholenden Zyklus, der in der Natur und im Universum immer wiederkehrt.
Insgesamt lässt Schwitters den Regen in diesem Gedicht zu einer vielschichtigen, beinahe meditativen Erfahrung werden. Der Wechsel von schnellen, fast chaotischen Beschreibungen zu den sanfteren, sich wiederholenden Klängen am Ende erzeugt eine allumfassende Atmosphäre des Regens als sowohl physischen als auch symbolischen Prozess. Das Gedicht selbst wird so zu einem Spiegelbild des natürlichen Kreislaufs – aus der ständigen Bewegung und Veränderung, die den Regen kennzeichnen, entsteht eine Verbindung zu den tieferen, existenziellen Fragen des Lebens und der Natur.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.