Der Wohllaut
Wo strömet ihr, in dunkle Nacht begraben,
Des heil’gen Wohllauts unversiegte Quellen?
Im dichten Hain forsch‘ ich nach euren Fällen;
Ihr rauschet klangreich durch mein altes Schwaben!
Wie glücklich ist, wem eure süßen Gaben
Aus reicher Ader selbst entgegenschwellen,
Wem seine Lippen in den blauen Wellen
Der lautern Flut sich keusch gebadet haben.
Ihm tönt sein Sang zurück aus tausend Kehlen.
Und, wie in eines klaren Wassers Grunde,
Bespiegeln sich in seinem Lied die Seelen.
Ja, glücklich ist das fremde Lied zu preisen,
Das je, verschönt, entwandelt seinem Munde,
In goldnen Klang verkehrt er dumpfe Weisen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Wohllaut“ von Gustav Schwab beschäftigt sich mit der Idee der Musik und des Gesangs als Ausdruck von Schönheit und Reinheit. In der ersten Strophe fragt der Sprecher, wo sich die „unversiegten Quellen“ des „heil’gen Wohllauts“ befinden. Das Bild des „dichten Hains“ und der „dunklen Nacht“ deutet auf die tiefe, verborgene Quelle des Klangs hin, die nur durch intensives Suchen entdeckt werden kann. Die Musik und der „Wohllaut“ sind hier als etwas Mystisches und Erhabenes dargestellt, das in einer unerforschten Dunkelheit verborgen liegt, aber dennoch für den Suchenden zugänglich ist.
In der zweiten Strophe beschreibt der Sprecher die Glückseligkeit desjenigen, der in den „blauen Wellen“ der „lautern Flut“ – eine Metapher für den reinen, klaren Klang – badet. Die „Lippen“, die sich in diesem „klaren Wasser“ gebadet haben, haben Zugang zu einer Art spiritueller Reinheit, die der Musik innewohnt. Schwab schildert Musik hier als ein heilendes und reinigendes Element, das die Seele des Sängers oder Hörers in eine höhere Sphäre erhebt. Die „süßen Gaben“ des „Wohllauts“ stehen für die Freude und Erfüllung, die Musik und Gesang dem Menschen bringen können.
In der dritten Strophe wird die Wirkung der Musik weiter betont. Das Lied des Glücklichen „tönt zurück aus tausend Kehlen“, was auf die universelle Resonanz des Gesangs hinweist – ein einzelner Gesang spiegelt sich in vielen Stimmen und erreicht eine kollektive Harmonie. Der Vergleich mit dem „klaren Wasser“ und dem „Spiegeln der Seelen“ verstärkt die Vorstellung, dass Musik nicht nur die äußere Welt widerspiegelt, sondern auch tief in die Seele eindringt und diese in reinster Form reflektiert. Musik hat hier eine transformative und spirituelle Qualität, die sowohl den Sänger als auch den Hörer berührt.
Die letzte Strophe hebt den Wert des „fremden Liedes“ hervor – das Lied, das aus der „Mund“ des Sängers hervorgeht und in „goldenen Klang“ verwandelt wird. Dieses Lied, das ursprünglich „dumpfe Weisen“ war, wird durch den Akt des Gesangs und der Verwandlung in Musik zu etwas Höherem und Schönerem. Schwab zeigt hier, dass Musik nicht nur eine äußere Form der Kunst ist, sondern auch eine transformative Kraft hat, die das Unvollkommene in das Vollkommene umwandeln kann. Die „goldenen Klang“ repräsentieren die Erhebung des Alltäglichen in den Bereich des Heiligen und Erhabenen, was die spirituelle Kraft der Musik unterstreicht.
Schwabs Gedicht ist eine Lobpreisung der Musik als ein göttliches, reinigendes und transzendentes Element. Es stellt Musik als etwas dar, das den Menschen in seiner höchsten Form der Reinheit und Schönheit zur Selbstverwirklichung führt. Der „Wohllaut“ wird als eine Quelle des Glücks und der inneren Erhebung dargestellt, die nicht nur den Einzelnen berührt, sondern auch die kollektive Seele der Gemeinschaft anhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.