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Mahmud der Gasnevide

Von

Vor Mahmuds Thron kniet Nureddin: „O Padischah! ich fordre Recht!
Ein Krieger deines Hofes hat ruchloser Unbill sich erfrecht!
Aus meiner Wohnung, meinem Bett trieb der Verfluchte mich heraus
Und schwelgt mit meinen Weibern nun, als wäre sein mein Herd und Haus.“

Der Schah vernimmt es und erbleicht; stumm starrt er lang zu Boden hin.
„Geht!“ – heischt er zu den Sklaven dann – „besetzt das Haus des Nureddin,
Dass keiner draus entrinnen mag; wenn Finsternis die Erde deckt,
Ruft mich, und sehen soll die Welt, wie Sultan Mahmud Recht vollstreckt.“

Sie alle gehn; er aber tritt in die Moschee, verschließt das Tor
Und liegt vor Allah im Gebet, bis sich der Tagesschein verlor;
Mit Nureddin als Führer eilt er nach dem Haus des Frevels dann,
Vier seiner Schergen hinter ihm, mit scharfen Beilen Mann für Mann.

„Löscht aus die Fackeln!“ donnert er. Im Hause wird es schreckenstumm;
Nur matt durchblinkt der Sterne Schein die tiefe Finsternis ringsum;
Ins Tor voran stürmt Nureddin; mit seinen Schergen folgt der Schah
Durch Gänge und durch Säulen hin. „Da!“ – flüstert dumpf der Führer – „da!“

Die Schergen stellen sich im Kreis. „Des Frevlers Todeskampf sei kurz!“
Ruft Mahmud aus und zückt das Schwert; ein halb erstickter Schrei, ein Sturz!
„Licht her!“ Man bringt’s. Flugs beugt der Schah sich zu des Toten Angesicht,
Dann kniet er nieder. „Allah, Dank! Der, den ich meine, war es nicht.

Ihr aber, die ihr staunt, erfahrt! Ich glaubte, dass mein eigner Sohn
Der Täter sei; auf schlimmem Pfad argwöhnt‘ ich ihn seit lange schon,
Und, dass sein Anblick nicht die Hand mir hemmte bei dem Strafgericht,
Vollstreckt‘ ich es in Finsternis; dem Himmel Dank, er war es nicht!“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mahmud der Gasnevide von Adolf Friedrich von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mahmud der Gasnevide“ von Adolf Friedrich von Schack schildert eine dramatische Szene aus der Geschichte von Sultan Mahmud, in der er mit einem schweren Verdacht gegen seinen eigenen Sohn konfrontiert wird. Zu Beginn stellt sich der Krieger Nureddin vor den Sultan und klagt an, dass ein Krieger aus Mahmuds Hof in seine Wohnung eingedrungen ist, um seine Frauen zu entführen. Dieser Vorfall weckt den Zorn des Sultans, und in seiner Wut spricht er einen grausamen Racheplan aus.

Die Idee des Sultans, das Recht in der Dunkelheit durchzusetzen, symbolisiert seine absolute Macht und Entschlossenheit, aber auch die moralische Zerrissenheit, die ihn in diesem Moment ergreift. Mahmud ordnet die Besetzung des Hauses des Täters an und kündigt an, das Urteil bei Nacht zu vollstrecken. Es wird eine düstere, bedrohliche Atmosphäre erzeugt, als der Sultan in die Moschee geht, um zu beten und zu meditieren, bevor er in aller Stille mit seinen Schergen das Haus des vermeintlichen Täters aufsucht.

Im dramatischen Höhepunkt des Gedichts nimmt der Sultan mit seinen Schergen die finstere Strafe vor: der vermeintliche Täter wird in einem Mordprozess getötet, ohne dass er zunächst identifiziert wird. Der Schrei des Opfers und die Dunkelheit, in der die Tat vollzogen wird, verstärken die Schwere der Handlung. Erst als das Licht gebracht wird, wird klar, dass der tote Mann nicht der gesuchte Täter ist, sondern es sich um einen Irrtum handelt. Der Sultan, der in der Dunkelheit gehandelt hat, fällt auf die Knie und dankt Allah für die Erkenntnis, dass sein eigener Sohn nicht der Verbrecher war, den er zu bestrafen glaubte.

Schack nutzt hier die Geschichte von Mahmud, um eine moralische Botschaft über Vorurteile, Gerechtigkeit und das Vertrauen in den göttlichen Willen zu vermitteln. Die Dunkelheit, in der Mahmud handelt, symbolisiert die Unsicherheit und den Verdacht, der den Sultan auf einen falschen Pfad führt. Das Gebet und das spätere Eingeständnis des Fehlens von Schuld verdeutlichen die Idee, dass Gerechtigkeit nicht auf Annahmen oder Emotionen beruhen darf, sondern auf Klarheit und Erkenntnis. Am Ende zeigt das Gedicht, dass der Sultan in seiner Gewalt und seinem Eifer beinahe einen irreparablen Fehler gemacht hätte, was die Zerbrechlichkeit von Macht und Urteilskraft in einer moralischen Welt betont.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.