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Drei Hexen

Von

Nachts auf dem rauchenden Schutte Lyons, matt von den Schreckenstaten,
Die sie im Fron des Konvents vollbracht, lag ein Haufe Soldaten;
Müde ruhte das fressende Schwert, stumm die Würgerkanone;
Blutgeschwollen mit wirbelnder Flut rauschte vorüber der Rhone.

Allen die eisernen Sinne tief hielt der Schlummer gebunden;
Einer, ein junger Krieger, allein hatte nicht Schlaf gefunden;
Fort und fort, wie Schatten und Licht über die schäumenden Fluten,
Zogen Gedanken ihm über die Stirn, welche nicht wichen noch ruhten.

Da zu Häupten ihm unversehns standen drei Weibergestalten,
Bleich und blutlos das Angesicht, tief umdunkelt von Falten;
Hagere Hände streckten sie aus, ihre Stimme scholl heiser,
Und im Chore riefen die drei: „Heil dir, künftiger Kaiser.

Der du in Glut des Kampfes den Sinn früh zu Stahl dir geschmiedet,
Und ihn gehärtet in Strömen des Bluts, das auf dem Schlachtfeld siedet,
Dem die Seele kein Mitleid taut, die zu Eise gefroren,
Zu gewaltigem Werk dich hat unser Meister erkoren!

Hörst du des Kriegsvolks wüstes Geschrei? Sengen und Rauben und Morden
Ist den Wütenden wie die Luft, drin sie atmen, geworden.
Bändige du sie mit Stachel und Zaum, führe gekoppelt die Meute,
Und die Völker und Reiche der Welt wirst du erjagen als Beute!

Wer mag leichterer Fang dir sein, Fürsten oder Nationen?
Locke die einen mit gleißendem Wort; ködre die andern mit Kronen;
Auf die Betörten dann brich ein, wie der Wolf auf die Herden,
Und nicht einer wird dir entgehn – du sollst herrschen auf Erden!

Menschen, töricht tolles Geschlecht, das wir zum Spiel uns erlasen!
Sie entstehn und vergehen in nichts, wie auf dem Schaume die Blasen;
Schminke nur ist das Lebensrot, um den Tod zu verbergen;
Zu entlarven die Lüge, zieh aus mit dem Heere der Schergen!

Dringst du bei brennender Städte Schein durch das Grauen der Schlachten
Vor, bis wo die Nebel des Pols ewig die Welt umnachten,
Über Bergen Erschlagener dort und zertrümmerten Reichen
Magst du in Stolz erheben dein Haupt; wer kann dir sich vergleichen?

Und in Freude zum erstenmal wird die Seele dir schmelzen,
Und Gedanken, wie keiner gedacht, wirst du im Geiste wälzen:
Groß wie der eine, der drunten ist, unser Meister, zu werden!“
Also die drei, und sie tanzten um ihn: „Du sollst herrschen auf Erden!“

Bleich durch den Rauch und Blutqualm schon glomm die vierte der Stunden;
Trommeln wirbelten; schnell in Luft waren die drei verschwunden;
Ihnen starrte der Jüngling nach; aber im Heer wards rege,
Und aufs neu zum Verwüstungswerk riefen ihn Trommelschläge.

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Gedicht: Drei Hexen von Adolf Friedrich von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Drei Hexen“ von Adolf Friedrich von Schack verknüpft historische Anspielungen auf die Französische Revolution mit einer düsteren, schicksalshaften Vision künftiger Herrschaft. Im Zentrum steht ein junger Soldat, dem in einer unheimlichen Szene drei Hexen erscheinen und ihm eine blutige, machtvolle Zukunft als Kaiser prophezeien.

Das Gedicht beginnt mit der Darstellung einer erschöpften Soldatenschar auf den Trümmern Lyons, einer Stadt, die während der Revolution schwer zerstört wurde. Die Szene ist von Gewalt und Erschöpfung geprägt, was die trostlose Stimmung unterstreicht. Nur ein junger Krieger bleibt schlaflos, geplagt von rastlosen Gedanken – ein Hinweis auf seine innere Unruhe und sein noch nicht völlig abgestumpftes Gewissen.

Die Erscheinung der drei Hexen knüpft deutlich an das Motiv der Schicksalshexen aus Shakespeares „Macbeth“ an. Sie sprechen dem Soldaten nicht nur Macht über Heere und Völker zu, sondern fordern ihn zugleich auf, jede Regung von Mitleid oder Moral abzulegen. Die Prophezeiung deutet auf einen Aufstieg durch Blut und Gewalt hin, wobei der Soldat – ähnlich einer dämonischen Bestimmung folgend – selbst zur Verkörperung des zerstörerischen Machtstrebens wird.

Die Hexen entlarven das menschliche Leben als Illusion, als „Schminke“, die den Tod verdeckt, und legitimieren so die Vernichtung und das Streben nach totaler Herrschaft. Der Soldat wird zum Werkzeug einer finsteren Macht gemacht, dessen künftige Taten die Welt in noch größeres Elend stürzen sollen. Die Szenerie endet abrupt mit dem Weckruf der Trommeln – die Vision weicht dem erneuten Befehl zur Gewalt, und der Soldat kehrt, innerlich verändert, in die grausame Realität des Krieges zurück.

Willst du, dass ich zusätzlich die historischen und literarischen Bezüge (z. B. zu Napoleon oder „Macbeth“) noch etwas genauer erläutere?

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.