Alter
Das aber ist des Alters Schöne,
Daß es die Saiten reiner stimmt,
Daß es der Lust die grellen Töne,
Dem Schmerz den herbsten Stachel nimmt.
Ermessen läßt sich und verstehen
Die eig’ne mit der fremden Schuld,
Und wie auch rings die Dinge gehen,
Du lernst dich fassen in Geduld.
Die Ruhe kommt erfüllten Strebens,
Es schwindet des verfehlten Pein-
Und also wird der Rest des Lebens
Ein sanftes Rückerinnern sein.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Alter“ von Ferdinand Ludwig Adam von Saar beschreibt das Alter als eine Phase der Läuterung und inneren Reife. Statt einer Abnahme oder eines Verfalls wird das Alter als Verfeinerung dargestellt: Die „Saiten“ des Lebens werden „reiner“ gestimmt, extreme Ausschläge von Lust und Schmerz werden gemildert. Dies betont die neue, ruhigere Qualität der Empfindungen, die mit zunehmender Lebenserfahrung einhergeht.
Besonders zentral ist die Idee der Einsicht: Sowohl die eigene Schuld als auch die Schuld anderer wird im Alter besser verstanden und eingeordnet. Diese Erkenntnis führt zu einer Haltung der Geduld, die es erlaubt, äußere Widrigkeiten mit größerer Gelassenheit zu ertragen. Damit stellt Saar die Altersweisheit als Ergebnis einer lebenslangen Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt dar.
Die dritte Strophe bringt eine versöhnliche Perspektive auf das Älterwerden: Erfolgreiches Streben wird mit innerer Ruhe belohnt, während die Schmerzen über Verfehlungen allmählich verblassen. Das Alter wird somit nicht als bitterer Rest, sondern als sanftes Rückblicken auf das gelebte Leben beschrieben, voller Milde und stiller Zufriedenheit.
Saar wählt eine schlichte, fließende Sprache und traditionelle Reimformen, die die Harmonie und Ausgeglichenheit des beschriebenen Alterszustands unterstützen. Das Gedicht wirkt insgesamt tröstlich und bietet ein positives, fast weises Bild des Alterns als eine stille Krönung des Lebensweges.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.