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Barbarossa

Von

Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterird’schen Schlosse
Hält er verzaubert sich.

Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr, zu seiner Zeit.

Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.

Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug‘ halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.

Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh hin vors Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.

Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.

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Gedicht: Barbarossa von Friedrich Rückert

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Barbarossa“ von Friedrich Rückert greift die Sage um den deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa auf, der im Kyffhäusergebirge schlafen soll, bis er eines Tages wiederkehrt, um das Reich zu retten. Schon in den ersten Versen entfaltet Rückert eine geheimnisvolle Atmosphäre: Der Kaiser ist nicht gestorben, sondern durch Zauberkraft in einem unterirdischen Schloss in einen langen Schlaf versetzt worden. Dieses Bild vermittelt Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die jedoch noch in weiter Ferne liegt.

Rückert schildert Barbarossa als würdevolle Gestalt, die – auf einem elfenbeinernen Stuhl sitzend und den Kopf auf einen Marmortisch gestützt – in einem Zustand zwischen Leben und Tod verharrt. Besonders auffällig ist das Bild des glühend roten Bartes, der durch den Tisch gewachsen ist, ein starkes Symbol für die unermessliche Dauer seines Schlafes und die unvergängliche Macht, die dennoch in ihm ruht.

Der wiederkehrende Moment, in dem Barbarossa einem Zwerg befiehlt, nach den Raben Ausschau zu halten, betont die zyklische Struktur dieser Hoffnungserzählung. Die Raben, die unablässig um den Berg kreisen, stehen als Zeichen dafür, dass die Zeit der Rückkehr noch nicht gekommen ist. Solange sie fliegen, bleibt der Kaiser im verzauberten Schlaf gefangen.

Das Gedicht verbindet damit auf kunstvolle Weise mythologische Elemente mit einer leisen Melancholie. Es reflektiert die Sehnsucht nach Erlösung und Erneuerung, zugleich aber auch die bittere Erkenntnis, dass diese Hoffnung möglicherweise noch fern ist. Rückerts Sprache ist dabei schlicht und bildhaft, was dem Gedicht eine fast märchenhafte Wirkung verleiht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.