Und auf einmal steht es neben dir
Und auf einmal merkst du äußerlich:
Wie viel Kummer zu dir kam,
Wie viel Freundschaft leise von dir wich,
Alles Lachen von dir nahm.
Fragst verwundert in die Tage.
Doch die Tage hallen leer.
Dann verkümmert Deine Klage –
Du fragst niemanden mehr.
Lernst es endlich, dich zu fügen,
Von den Sorgen gezähmt.
Willst dich selber nicht belügen
Und erstickst, was dich grämt.
Sinnlos, arm erscheint das Leben dir,
Längst zu lang ausgedehnt. —
Und auf einmal –: Steht es neben dir,
An dich angelehnt —
Was?
Das, was du so lang ersehnt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Und auf einmal steht es neben dir“ von Joachim Ringelnatz beschreibt auf eindrucksvolle Weise einen inneren Prozess von Verlust, Resignation und schließlich unerwarteter Hoffnung. Eingangs schildert Ringelnatz die Erfahrung eines allmählichen Entzugs: Kummer tritt in das Leben ein, Freundschaften verschwinden, und selbst das Lachen geht verloren. Der Mensch bleibt verwundert und ratlos zurück, doch seine Fragen verhallen unbeantwortet in der Leere der Tage.
In den folgenden Strophen zeigt Ringelnatz, wie sich die erlebte Enttäuschung verfestigt. Das Klagen verkümmert, das Fragen hört auf, und eine bittere Akzeptanz tritt ein. Der Mensch wird von seinen Sorgen gezähmt und versucht, sich selbst nicht länger etwas vorzumachen. In dieser Haltung wird das Leben als sinnlos und leer empfunden – eine trostlose Perspektive, die das Gefühl von Ausweglosigkeit verstärkt.
Gerade in dieser tiefen Resignation ereignet sich jedoch ein Wendepunkt. Unerwartet, scheinbar aus dem Nichts, tritt das ersehnte Glück, die lang ersehnte Erfüllung, in das Leben des Erzählers. Das, worauf er so lange vergeblich gehofft hat, steht plötzlich an seiner Seite, an ihn angelehnt, ganz real und greifbar.
Ringelnatz beschreibt damit auf bewegende Weise das paradoxe Erleben von Hoffnung: Oft kommt das Glück gerade dann, wenn alle Hoffnung aufgegeben wurde. Das Gedicht entfaltet eine stille, tröstliche Weisheit – dass manche erfüllenden Begegnungen erst möglich werden, wenn der Mensch aufgehört hat, sie krampfhaft zu erzwingen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.