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Nie bist du ohne Nebendir

Von

Eine Wiese singt.
Dein Ohr klingt.
Eine Telefonstange rauscht.
Ob du im Bettchen liegst
Oder über Frankfurt fliegst,
Du bist überall gesehen und belauscht.

Gonokokken kieken,
Kleine Morcheln horcheln.
Poren sind nur Ohren.
Alle Bläschen blicken.

Was du verschweigst,
Was du den Andern nicht zeigst,
Was dein Mund spricht
Und deine Hand tut,
Es kommt alles ans Licht.
Sei ohnedies gut.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Nie bist du ohne Nebendir von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nie bist du ohne Nebendir“ von Joachim Ringelnatz beschäftigt sich auf eindringliche und zugleich spielerische Weise mit dem Thema der allgegenwärtigen Beobachtung und Offenbarung des Inneren. Schon zu Beginn wird eine Welt gezeichnet, in der selbst Naturgeräusche wie das Rauschen einer Wiese oder einer Telefonstange das Gefühl verstärken, ständig gesehen und gehört zu werden.

Ringelnatz dehnt dieses Bild aus, indem er beschreibt, dass selbst kleinste Organismen („Gonokokken“, „kleine Morcheln“) und Körperbestandteile („Poren“) zu Beobachtern werden. Alles um den Menschen herum scheint aufmerksam und lauschend – eine Übertreibung, die humorvoll und gleichzeitig beunruhigend wirkt. Dadurch entsteht ein Gefühl der völligen Transparenz und Entblößung.

Im weiteren Verlauf betont das Gedicht, dass selbst Gedanken, unausgesprochene Gefühle und verborgene Handlungen letztlich nicht im Verborgenen bleiben. Alles dringt irgendwann an die Oberfläche und wird offenbar – eine Vorstellung, die sowohl als Warnung als auch als philosophische Einsicht verstanden werden kann.

Im abschließenden Appell „Sei ohnedies gut“ bringt Ringelnatz die zentrale Botschaft auf den Punkt: Da nichts dauerhaft verborgen bleibt, sollte man von vornherein das Gute anstreben. Die leise Ironie des Gedichts verbindet sich hier mit einer klaren moralischen Botschaft, die trotz der skurrilen Bilder eine ernste Tiefe entfaltet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.