An M.
Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst –
Weißt du wohl, wie heiß du oft mich rührst?
Wenn ich tot bin darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
Und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.
Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An M.“ von Joachim Ringelnatz ist eine zarte, persönliche Liebeserklärung und zugleich ein poetisches Vermächtnis. In wenigen Versen bringt Ringelnatz eine tiefe emotionale Bindung zum Ausdruck – zu einer Person, die ihn begleitet, versteht und liebt, trotz seiner Schwächen. Diese Nähe und Vertrautheit bilden das Herz des Gedichts und verleihen ihm eine stille, eindringliche Kraft.
Bereits im ersten Vers wird die enge Verbindung deutlich: „Der du meine Wege mit mir gehst“ beschreibt nicht nur ein geteiltes Leben, sondern auch das Mittragen der inneren Bewegung des lyrischen Ichs. Besonders eindrucksvoll ist die Formulierung „jede Laune meiner Wimper spürst“, die eine beinahe übernatürliche Sensibilität und Feinfühligkeit der angesprochenen Person andeutet. Auch das Eingeständnis eigener „Schlechtigkeiten“ zeigt Offenheit und Vertrauen – ein Bild tiefer, bedingungsloser Liebe.
Die zweite Strophe führt in eine Zukunft nach dem Tod. Dabei weicht Ringelnatz dem Pathos bewusst aus: Statt zu trauern, soll die geliebte Person weiterleben, lachen, ihr Leben fortführen. Die Liebe des lyrischen Ichs wird als etwas dargestellt, das über den Tod hinaus wirkt – nicht in sentimentalem Sinne, sondern als tröstende Kraft, die in „fremden Kleidern“ weiterlebt und der Geliebten in neuer Form begegnet.
Der abschließende Appell „Lebe, lache gut! / Mache deine Sache gut!“ ist zugleich pragmatisch und liebevoll. Er zeigt, dass Ringelnatz trotz aller Melancholie des Abschieds den Blick auf das Leben richtet – mit Wärme, Humor und Menschlichkeit. Das Gedicht ist ein leises, anrührendes Zeugnis einer tiefen Beziehung, das jenseits von romantischem Kitsch eine sehr persönliche, fast philosophische Haltung zum Leben und zur Liebe offenbart.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.