Afrikanisches Duell
Wenn dich der Paul oder jemand, den du kennst,
Schwein schimpft, oder wenn du ihn Rindsvieh nennst,
Dann habt ihr euch beleidigt.
Dann müsst ihr afrikanisches Duell machen.
Ich bin der Schiedsrichter, der bei Ehrenwort euch vereidigt.
Niemand darf auch nur mit der Wimper lachen.
Jeder schweigt. Und ihr stellt euch dabei
Gegenüber. Mit sechs Handbreit Abstand. Und dann
Zähle ich langsam bis drei.
Darauf spuckt jeder dem anderen ins Gesicht
Möglichst so lange, bis der nicht mehr sehen kann.
Mich anspucken gilt aber nicht.
Wer zuerst sagt, er habe genug abgekriegt,
Der ist besiegt,
Und muss sich von mir eine runterhauen lassen
Ohne sich wehren oder mich anfassen.
Darauf dürft ihr euch nicht mehr hassen,
Sondern müsst euch bezähmen
Wie Männer von Ehre und Stand.
Jeder reicht dem andern die Hand.
Weil die Helden in Afrika sich wegen Spucke nicht schämen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Afrikanisches Duell“ von Joachim Ringelnatz ist eine humorvolle und gleichzeitig satirische Auseinandersetzung mit der Idee von Ehre und Konfliktlösung. Es schildert ein fiktives, absurderweise ernster genommenes Duell zwischen zwei Personen, die sich durch Beleidigungen wie „Schwein“ oder „Rindsvieh“ herausgefordert haben. Das Gedicht spielt mit der Idee, dass in derartigen Fällen eine formelle Auseinandersetzung notwendig ist, um den Konflikt zu beenden – ein Duell, das im Gegensatz zu traditionellen, gewalttätigen Duellen völlig ungewöhnliche Regeln hat. Die Beschreibung dieses „afrikanischen Duells“ ist eine ironische Darstellung, die sowohl die Lächerlichkeit als auch die Dramatik von Ehre und Rivalität thematisiert.
Der Schiedsrichter, der das Duell überwacht, übernimmt eine quasi militärische Rolle, indem er die „Ehrenvereidigung“ vornimmt und strikte Regeln aufstellt, nach denen die beiden Gegner sich „mit sechs Handbreit Abstand“ gegenüberstehen müssen. Diese inszenierte Haltung der formellen Distanz und des Respekts spiegelt eine übertriebene Vorstellung von Würde wider. Gleichzeitig wird die gesamte Situation durch den humorvollen Akt des „Spuckens“ ins Gesicht entmystifiziert – anstatt auf eine physische Auseinandersetzung folgt eine absurde, fast kindliche Form der Revanche. Der Spukakt soll dazu dienen, den Gegner symbolisch zu erniedrigen, was jedoch gleichzeitig den gesamten Konflikt trivialisiert und ins Lächerliche zieht.
Die Regeln des Duells, die festlegen, dass derjenige, der zuerst „genug abgekriegt“ hat, besiegt ist und sich von dem Schiedsrichter „eine runterhauen lassen“ muss, wirken wie ein absurder, wenn auch humorvoller Kommentar zur Idee von Rache und Respekt. Ringelnatz entlarvt die Idee von „Ehre“ als bloße Formalität, die zu einer absurden und entmenschlichenden Praxis führen kann. Das „Hergeben der Hand“ am Ende, nach einer solch bizarren Auseinandersetzung, ist der Höhepunkt der Satire. Hier wird das Konzept der Ehre in seiner Übertriebenheit und seiner unfreiwilligen Lächerlichkeit entblößt.
Das Gedicht endet mit der Bemerkung, dass die „Helden in Afrika sich wegen Spucke nicht schämen“. Dieser Verweis auf Afrika kann als eine ironische und stereotype Darstellung von Kultur dienen, die die Vorstellung einer anderen, fremden Welt ins Absurde zieht. Indem Ringelnatz dieses Element einführt, wird die ganze Erzählung noch grotesker und deutlicher auf die Unsinnigkeit von Ehrenkonflikten und den damit verbundenen Ritualen hingewiesen. In diesem Kontext ist die vermeintliche „Ehre“ ein aufgesetztes Konstrukt, das keinen wirklichen Wert hat und nur dazu dient, Konflikte auf eine absurde Weise zu lösen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.