Der Schwan
Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.
Und das Streben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen -:
in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Schwan“ von Rainer Maria Rilke beschreibt metaphorisch den inneren Kampf und das Streben nach Erfüllung, das der Mensch in seinem Leben durchmacht. Zu Beginn wird der Zustand der „Mühsal“ und der „Ungetanes“ geschildert, der das Gefühl von Schwere und Unsicherheit hervorruft, das den Menschen im Leben begleiten kann. Diese Empfindung wird mit dem „ungeschaffenen Gang des Schwanes“ verglichen, was auf das noch nicht erreichte Ziel oder die unerfüllte Bestimmung hinweist.
Das Streben nach einem „Nichtmehrfassen“ des Gewohnten wird als unruhiges, von Angst geprägtes „Sich-Niederlassen“ dargestellt. Der Schwan, als Symbol für den Einzelnen, scheint sich von seinem vertrauten Lebensgrund zu lösen, um in die Freiheit des Wassers zu gleiten. Das Wasser, das ihn „sanft empfängt“, kann als eine Metapher für den Tod oder die endgültige Ruhe verstanden werden, in die der Schwan (und der Mensch) sich schließlich begibt. Es symbolisiert das Loslassen von ängstlichen, menschlichen Zwängen und die Akzeptanz des natürlichen Flusses des Lebens.
Die Darstellung des Schwans, der „unendlich still und sicher“ in seiner Bewegung wird, vermittelt ein Gefühl der Erhabenheit und Selbstsicherheit. Das Bild des Schwans, der „mündiger und königlicher“ wird, spricht von einer inneren Transformation, die mit der Reife und dem Frieden kommt. Die Unaufgeregtheit des Schwans, der „gelassener zu ziehn geruht“, hebt die Idee der Akzeptanz und des Erreichens einer höheren, ruhigeren Lebensweise hervor.
Rilke nutzt den Schwan als Symbol für den menschlichen Prozess des Wachsens, der sowohl von Mühen als auch von einer unaufhaltsamen Entfaltung begleitet ist. Der Schwan zeigt uns, dass das Streben nach dem „Unendlichen“ in einer fortlaufenden Bewegung liegt, die uns im Einklang mit dem Leben und dem Tod in eine größere Weisheit und Gelassenheit führt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.